rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit für die Umsatzbesteuerung. kein Vorsteuerabzug für aus § 14c UStG geschuldete Umsatzsteuer. Auslegung der Begrifflichkeiten in § 3a Abs. 2 UStG. Darlegungs- und Feststellungslast für das Vorliegen der den Vorsteuerabzug begründenden Umstände

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Frage, ob sich die Zuständigkeit für die Umsatzbesteuerung nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AO oder § 21 Abs. 1 Satz 2 AO (in Verbindung mit der dazu ergangenen Verordnung) bestimmt, handelt es sich um eine Frage der örtlichen und nicht der sachlichen Zuständigkeit. Ein Verstoß hiergegen ist kein Nichtigkeitsgrund und führt nach § 127 AO nicht zur Aufhebung der streitgegenständlichen Bescheide.

2. Die nur aus § 14c UStG geschuldete Umsatzsteuer vermittelt keinen Vorsteuerabzug.

3. Für die Auslegung der Begriffe „Ort, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt” und „Betriebsstätte” im Sinne des § 3a Abs. 2 UStG sind nicht die §§ 10 ff. AO, sondern die Art. 10 f. der Mehrwertsteuerverordnung und die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung heranzuziehen.

4. Macht der Antragsteller mit dem Vorsteuerabzug eine für ihn günstige Besteuerungsgrundlage geltend, trägt er die Darlegungs- und Feststellungslast für das Vorliegen der den Vorsteuerabzug begründenden Umstände (hier: die Ansässigkeit im Inland als Anknüpfungspunkt für die in Deutschland bestehende Steuerpflicht seiner Eingangsumsätze). Eine danach verbliebene Unsicherheit geht zu seinen Lasten.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 14c Abs. 1, § 13b Abs. 1, § 3a Abs. 2; AO § 21 Abs. 1 Sätze 1-2, §§ 127, 125 Abs. 3 Nr. 1; VO (EU) Nr. 282/2011 Art. 10; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2

 

Tenor

Die Vollziehung der Bescheide über Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 2015 bis 2017 vom 23.06.2022 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung über den Einspruch vom 01.02.2022 ausgesetzt.

Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden zu 93 % dem Antragsteller und zu 7 % dem Antragsgegner auferlegt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob der Antragsteller ein i.S. des § 13b UmsatzsteuergesetzUStG– im Ausland ansässiger Unternehmer ist, so dass die Aussteller der ihm erteilten Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer diese nach § 14c Abs. 1 UStG schulden.

Der Antragsteller ist polnischer Staatsbürger. Er schloss mit Wirkung vom 01.06.2013 mit dem Büroserviceunternehmen B… Limited, geschäftsansässig in der C…-straße in D… einen Büroservicevertrag, nach dem ihm unter der vorgenannten Anschrift eine Geschäftsadresse eingerichtet und eingehende Post sowie eingehende Telefaxe einmal wöchentlich an eine „E…” in F… übersandt werden sollte. Unter dieser Anschrift ist nach einer Internet-Recherche eine Werbeagentur eines G… ansässig. Ein Ausdruck des Rechercheergebnisses wird zur Akte genommen und dem Beschluss beigefügt. Im Übrigen gab der Antragsteller eine Anschrift in H…/Polen, eine deutsche Mobilfunknummer und eine Email-Adresse mit einer deutschen Domain an.

In der Folge rechnete der Antragsteller u.a. unter der Bezeichnung „….de” (auch unter anderen Bezeichnungen, die ebenfalls Websites entsprachen) I… Werbekampagnen gegenüber in Deutschland ansässigen Unternehmen unter Umsatzsteuerausweis ab. Dabei trat er überwiegend unter der Anschrift des Büroserviceunternehmens oder anderen Anschriften in Deutschland und mit einer (wohl erfundenen) Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder einer vom Antragsgegner für kurze Zeit irrtümlich vergebenen Steuer-Nr. auf.

Am 13.11.2020 reichte er beim Antragsgegner einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung ein, in dem er eine Anschrift in H…/Polen angab, ferner als Art der Tätigkeit „Internetwerbung, Leadgenerierung”, als Anschrift des Unternehmens die Anschrift des Büroserviceunternehmens sowie eine weitere Betriebsstätte in J…, als Beginn der Tätigkeit den 01.06.2013. Er verzichtete auf die Kleinunternehmerregelung gemäß § 19 UStG. Umsatzsteuererklärungen und Jahresabschlüsse für die Jahre 2013 ff. reichte der Antragsteller zunächst nicht ein.

Daher schätzte der Antragsgegner die Besteuerungsgrundlagen und setzte mit Bescheiden vom 21.01.2022 die Umsatzsteuer ausgehend von geschätzten Umsätzen in Höhe von 500.000,00 EUR in 2015 und 2017 bis 2019 (Umsatzsteuer jeweils 95.000,00 EUR) sowie in Höhe von 400.000,00 EUR in 2016 (Umsatzsteuer 76.000,00 EUR) fest. Vorsteuer berücksichtigte der Antragsgegner nicht. Ferner setzte der Antragsgegner die aus den bei den Akten befindlichen Bescheidausdrucken ersichtlichen Zinsen und Verspätungszuschläge fest.

Gegen diese Bescheide legte der Antragsteller am 07.02.2022 Einspruch ein.

In der Folge reichte der Antragsteller seine Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre ein (am 01.06.2022 wohl erneut und berichtigt), von denen die Beteiligten keine Ausdrucke zu den Akten gereicht haben. Aus dem Akteninhalt lassen sich folgende Erklärungsinhalte nach Berichtigung erkennen (Beträge in EUR):

2015

20...

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