Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung von Hinterziehungszinsen auf Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer zulässig
Leitsatz (redaktionell)
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass der Begriff „Hinterziehung einer Steuer” in § 235 Abs. 1 S. 1 AO weit auszulegen ist und nicht nur den Steueranspruch, sondern auch z. B. den auf eine hinterzogene Einkommensteuer entfallenden Solidaritätszuschlag, den Fall der Verkürzung einer Haftungsschuld i. S. v. § 42d EStG oder § 69 AO, den Rückforderungsanspruch, wenn z. B. die Voraussetzungen einer Steuervergütung nicht vorgelegen haben oder später wegfallen, sowie Steuervergütungen wie z. B. das Kindergeld, umfasst.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1; AO §§ 3, 235 Abs. 1 S. 1
Tenor
Der Antrag wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Tatbestand
I.
Die Prozessbeteiligten streiten um die Frage, ob der Antragsteller verpflichtet ist, Hinterziehungszinsen auch für die Solidaritätszuschläge zur Einkommensteuer 2001 bis 2010 zu entrichten.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Vollziehung des Bescheides vom 14. April 2014 betr. die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zu den Solidaritätszuschlägen zur Einkommensteuer 2001 bis 2010 ab Fälligkeit bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Dem Gericht haben bei seiner Entscheidung zwei Bände Steuerakten (StNr.: …) vorgelegen, auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Beteiligtenvorbringens Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist unbegründet.
Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO – kann das Finanzgericht die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillig, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind danach zu bejahen, wenn bei der summarischen Prüfung des Bescheids anhand des Tatbestands, der sich aus den Akten ergibt, neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (Beschluss des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10. Februar 1967 III B 9/66, Bundessteuerblatt – BStBl – III 1967, 182, seitdem ständige Rechtsprechung des BFH).
Bei der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtsalge bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Zinsbescheids.
§ 235 AO erfasst auch die Verzinsung von Solidaritätszuschlägen zur Einkommensteuer (vgl. dazu Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO-FGO, 10. Aufl., § 235 AO Rz. 10; Kögel, in: Beermann/Gosch, AO-FGO, § 235 AO Rz. 18). Der Solidaritätszuschlag ist eine eigene Steuer i. S. von § 3 AO (vgl. Lindberg, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 1 SolZG). Selbst wenn man in diesem Punkt eine andere Auffassung vertreten würde, würde man im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis gelangen. Denn der Begriff „Hinterziehung einer Steuer” in § 235 Abs. 1 Satz 1 AO ist nach einhelliger Meinung weit auszulegen: Er ist nicht auf den in § 37 Abs. 1 an erster Stelle genannten Steueranspruch zu verengen, sondern umfasst z. B. auch den Fall der Verkürzung einer Haftungsschuld i. S. von § 42 d EStG oder § 69 AO (vgl. dazu Wernsmann, aaO sowie Schwarz, AO § 235 Rz. 6) oder den Rückforderungsanspruch, wenn z. B. die Voraussetzungen einer Steuervergütung nicht vorgelegen haben oder später wegfallen (vgl. Wernsmann, a.a.O.). „Steuer” i. S. von § 235 Abs. 1 Satz 1 AO ist im Übrigen auch eine Steuervergütung wie z.B. das Kindergeld (vgl. dazu rkr. Urteil des FG Nürnberg vom 25. Juni 2014 3 K 153/13 – juris – sowie Rüsken, in: Klein, AO, 12. Aufl., § 235 Rz. 5 m. w. N.). Es gibt – soweit ersichtlich – keine gerichtliche Entscheidung oder Kommentarstelle, die sich (abstrakt) gegen die Zinszahlungspflicht des Antragstellers in der vorliegenden Fallkonstellation ausspricht.
Andere Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids hat der Antragsteller nicht erhoben und sind auch von Amts wegen nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 8131800 |
DStR 2016, 12 |
DStRE 2016, 430 |
AO-StB 2017, 16 |
NZWiSt 2016, 393 |
StBW 2015, 770 |