rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugangsvoraussetzung für gerichtlichen AdV-Antrag. erhöhte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten. Zuordnung der Warenbewegung beim Reihengeschäft. Ausfuhrlieferung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Zugangsvoraussetzung nach § 69 Abs. 4 S. 1 FGO ist erfüllt, wenn der Antragsteller im Einspruchsverfahren einen erfolglosen Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung gestellt hat. Es bedarf keines erneuten Antrags beim FA nach Ergehen der Einspruchsentscheidung.
2. Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Pflichten gem. § 90 Abs. 2 AO und ist der Sachverhalt anderweitig nicht aufklärbar, dürfen das FA und das FG zum Nachteil des Steuerpflichtigen von einem Sachverhalt ausgehen, für den unter Berücksichtigung der Beweisnähe des Steuerpflichtigen und seiner Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhaltes eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht; diese Grundsätze sind auch im Verfahren über Anträge nach § 69 Abs. 3 FGO anzuwenden.
3. Ein einheitlicher Vorgang kann für den Leistungsempfänger nur innergemeinschaftlicher Erwerb sein, wenn er für den Leistenden innergemeinschaftliche Lieferung ist.
4. Im Zweifel ist die Warenbewegung der ersten Lieferung im Reihengeschäft zuzuordnen.
5. Im AdV-Verfahren ist davon auszugehen, dass auch bei einer Ausfuhrlieferung die Steuerbefreiung nicht davon abhängt, dass die Beförderung des in Rede stehenden Gegenstands zum Erwerber binnen einer bestimmten Frist beginnen oder abgeschlossen sein muss, sondern dass ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Lieferung des in Rede stehenden Gegenstands und seiner Beförderung sowie ein kontinuierlicher Ablauf des Vorgangs ausreichen.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, § 3d Abs. 1-2, § 17 Abs. 1, 2 Nr. 4; FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1; AO § 90 Abs. 2
Tenor
Die Vollziehung des Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheides Mai 2016 vom 04.11.2016 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung im Verfahren 7 K 7214/17 aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Tatbestand
I. Streitig ist die umsatzsteuerliche Behandlung von fünf Einkäufen von Waren durch die Antragstellerin im Mai 2016.
Die Antragstellerin, eine GmbH, handelt mit Elektrotechnik. Streitgegenstand sind vier Lieferungen eines in Großbritannien ansässigen Unternehmers (– B –) und eine Lieferung eines in Finnland ansässigen Unternehmers (– O –). Die Antragstellerin bestellte die Waren bei B bzw. O und verkaufte sie an die in Russland ansässige LLC P – P – weiter. Die Waren wurden aus Großbritannien bzw. Finnland direkt in ein Zwischenlager nach Litauen transportiert, wo sie umgepackt und dann von dort nach Russland weitertransportiert wurden. Dies geschah auf Wunsch der P, welche der Antragstellerin gegenüber angab, es gehe ihr darum, die Waren mit anderen Einkäufen zu bündeln und mit diesen gemeinsam nach Russland bringen zu lassen. Die Antragstellerin verwendete gegenüber B und O ihre deutsche Umsatzsteuer-Identifikationsnummer – USt-Id-Nr. –.
Die an die Antragstellerin in Deutschland adressierte Rechnung von O vom 25.05.2016 in englischer Sprache (Bl. 14R der Akte des hiesigen Aussetzungsverfahrens – AdV –) weist einen Rechnungsbetrag i. H. v. 7.319,00 EUR aus, eine Umsatzsteuer von 0,00 EUR, als Lieferadresse eine Anschrift in Litauen und die deutsche USt-Id-Nr. der Antragstellerin sowie die Angabe „Delivery term: C…, Lithuania”. Die ebenfalls an die Antragstellerin in Deutschland adressierten Rechnungen von B in englischer Sprache vom 20.05.2016 (Nr. GSI80873, Rechnungsbetrag 40,13 EUR, Bl. 15 AdV; Nr. GSI80872, Rechnungsbetrag 7.634,09 EUR, Bl. 15R AdV; Nr. GSI80868, Rechnungsbetrag 635,46 EUR, Bl. 17 AdV) und vom 17.05.2016 (Nr. GSI80569, Rechnungsbetrag 59.808,29 EUR, Bl. 17R AdV) weisen jeweils die gleiche litauische Lieferadresse und ebenfalls eine Umsatzsteuer von 0,00 EUR und die deutsche USt-ID-Nr. der Antragstellerin aus und enthalten keine Angabe zu den Lieferbedingungen. Die Ausfuhrmeldungen für die Ausfuhren nach Russland wurden von der Antragstellerin erstellt, die Ausfuhrnachweise in litauischer Sprache und die Rechnungen der Antragstellerin an P in deutscher Sprache finden sich auf Bl. 20ff. AdV; die Rechnungen der Antragstellerin an P (ohne Umsatzsteuerausweis) über die Weiterlieferungen der o. g. Liefergegenstände vom 17.05.2016, 24.05.2016 und 31.05.2016 enthalten jeweils die Angaben „Steuerfreie Lieferung” und „Lieferbedingungen: EXW D…, Lithuania”. Die Ausfuhrnachweise weisen als Ausfuhrdaten den 27.05.2016 und 16.06.2014 aus. Es liegt zudem eine Bestätigung der P vom 10.11.2016 vor, wonach die Gegenstände im Konsolidierungslager in E… durch ihre Spedition abgeholt und nach F… gebracht worden seien (Bl. 50f. der Rechtsbehelfsakte – Rb –).
In ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für Mai 2016, die nach Zustimmung des Antragsgegners am 04.08.2016 als Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung – VdN – wirkte, erklärte die A...