Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung eines Zwischenurteils. Hemmung der Feststellungsverjährung durch eine Prüfungsanordnung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein rechtskräftig gewordenes Zwischenurteil bindet das Gericht für das anschließende Grund- oder Endurteil.
2. Eine durch Bekanntgabe an den (unrichtigen) Inhaltsadressaten zunächst wirksam gewordene Prüfungsanordnung entfaltet diesem gegenüber Hemmungswirkung, soweit sie nicht von ihm erfolgreich angefochten worden ist. Entsprechendes gilt für den umgekehrten Fall (richtiger Inhaltsadressat, falscher Gegenstand).
3. Eine Prüfungsanordnung, mit der die Prüfung der Einkünfte einer Personengesellschaft aus Vermietung und Verpachtung angeordnet wird, hemmt die Feststellungsfrist betreffend von dieser Gesellschaft erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht.
Normenkette
AO § 169 Abs. 1, 2 S. 1 Nr. 2, § 171 Abs. 4, § 181 Abs. 1 S. 1, §§ 194, 196; FGO § 97
Tenor
Der Bescheid für 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 07. Juni 2016 und die Einspruchsentscheidung vom 23. August 2021 werden aufgehoben.
Die Revision wird zugelassen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Klägerin ist die im Jahr 2004 gegründete A… GmbH & Co. KG. Sie ist Eigentümerin von zwei Wohnungsbaublöcken mit teilweiser gewerblicher Vermietung in C…. Die Klägerin wurde zunächst durch Bescheid für 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 Einkommensteuergesetz –EStG– vom 12. März 2013 veranlagt. Das damals zuständige Finanzamt C… stellte Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. ./. 1.693.992,74 EUR (in voller Höhe Veräußerungsverluste) sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.H.v. 269.725,92 EUR unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abgabenordnung –AO–) fest. Sämtliche Einkünfte wurden dem Beigeladenen zugerechnet (Blatt 33 bis 37 der Gerichtsakte).
Der Beigeladene wurde vom Finanzamt D… mit diesen beschränkt steuerpflichtigen Einkünften erfasst. Aufgrund einer Einkommensteuererklärung für 2007 aus dem Jahr 2009 erging erstmals am 26. Oktober 2009 ein Bescheid über Einkommensteuer 2007 (Blatt 17 ff der Gerichtsakte).
Mit Prüfungsanordnung vom 25. September 2013 ordnete das vormals zuständige Finanzamt B… formularmäßig „eine [x] Außenprüfung [] abgekürzte Außenprüfung gemäß § 193 Abs 1 AO” an. Diese sollte ausweislich des Vordrucks bei der Klägerin („A… GmbH & Co. KG”) stattfinden. Ausweislich der Prüfungsanordnung sollte sich die Prüfung – entsprechend der ausgefüllten Formularzeilen – gem. § 194 Abs. 1 Abgabenordnung –AO– auf folgende Steuerarten, Sachverhalte und Zeiträume erstrecken: „Gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 2007 – 2011” sowie „Umsatzsteuer 2007 – 2011”. Die Übrigen Auswahlfelder im Vordruck wurden nicht ausgewählt, indem Veranlagungszeiträume nicht angegeben wurden. Das Gericht nimmt Bezug auf die Kopie der Prüfungsanordnung (Blatt 15 f. der Gerichtsakte). Die Bekanntgabe der Prüfungsanordnung ist zwischen den Beteiligten unstreitig und erfolgt gegenüber der Klägerin durch Übersendung per Post an die vormals bevollmächtigte Sozietät E…. Die Außenprüfung endete durch Berichterstellung vom 09. November 2015.
Zum 01. Januar 2016 ist die Zuständigkeit für die Besteuerung der Klägerin auf den Beklagten übergegangen (Änderung der Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung). Am 07. Juni 2016 erließ der zuständig gewordene Beklagte einen gem. § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid für 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG, mit dem er Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 7.694.351,26 EUR (Veräußerungsgewinne) sowie 0,00 EUR (laufende gewerbliche Einkünfte) sowie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (119.670,92 EUR) feststellte und dem Beigeladenen zurechnete (Blatt 7 ff. der Gerichtsakte). Zugleich hob der Beklagte den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Die Klägerin legte hiergegen fristgerecht Einspruch ein und hat am 23. Dezember 2020 Untätigkeitsklage erhoben. Als Verfahrensgegenstand hat die Klägerin den „Bescheid für 2007 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 07.06.2016” bezeichnet. Sodann hat die Klägerin in der Klageschrift ausgeführt, dass strittig die Einkünfte aus Gewerbetrieb (Aufgabeverlust) seien.
Das Gericht hat mit Zwischenurteil vom 20. April 2021 entschieden, dass die Klage zulässig ist. Als Verfahrensgegenstand wird im Rubrum des Zwischenurteils „wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrun...