rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzerbschaftsteuer. Einstufung einer privatrechtlichen Stiftung als Familienstiftung i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Notfallversorgung Familienangehöriger und finanzielle Sicherung des Familienunternehmens als Stiftungszweck
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Begriff „wesentlich” in § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG deutet dem Wortsinn nach darauf hin, dass eine Stiftung „ihrem Wesen nach” einer Familie dient, die Förderung der Familie also einen besonders wichtigen Zweck der Stiftung darstellt.
2. Quantitative Merkmale der Anfalls- und Bezugsberechtigung sind ein Indiz, jedoch nicht allein entscheidend für die Frage, wann eine Stiftung wesentlich im Interesse einer Familie errichtet ist. Insbesondere kann aus der Unschädlichkeitsgrenze für den Status der Gemeinnützigkeit (§ 58 Nr. 5 AO) nichts für die Frage hergeleitet werden, wann eine privatnützige Stiftung eine Familienstiftung darstellt.
3. Eine Notfallversorgung der Familienmitglieder ist nicht als besonders wichtiger Stiftungszweck anzusehen, wenn die Ausgestaltung so gewählt wurde, dass der Eintritt des Versorgungsfalls nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der potenziell Begünstigten faktisch nicht zu erwarten war und tatsächlich auch nie erfolgt ist.
4. Die finanzielle Sicherung der familieneigenen Unternehmensgruppe als wesentlicher Stiftungszweck lässt die Stiftung nicht als Familienstiftung erscheinen, wenn sich dies wie im Streitfall nur mittelbar förderlich auf das Familienvermögen auswirkt.
Normenkette
ErbStG 1997 § 1 Abs. 1 Nr. 4; AO § 58 Nr. 5
Nachgehend
Tenor
Der Erbschaftsteuerbescheid für 1998 vom 30. Oktober 2000 in Gestalt des geänderten Bescheids vom 22. Dezember 2000 und der Einspruchsentscheidung vom 18. Dezember 2002, zuletzt in Gestalt des Bescheids vom 08. Dezember 2003, ergänzt durch die Vorläufigkeitserklärung vom 10. Dezember 2003 wird aufgehoben.
Die Revision wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Stiftung.
Die Beteiligten streiten darüber, ob sie als Familienstiftung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz – ErbStG – (nachfolgend Familienstiftung) einzustufen ist.
Errichtet wurde die Klägerin am 12.06.1968 vom Stifter, Herrn …. Dieser stattete sie am 09.07.1968 mit einem Anfangskapital von 300.000 DM aus. Der Stifter war bis zu seinem Tode im Jahr 1989 alleiniger und allein entscheidungsbefugter Vorstand der Stiftung. Seither wird diese Funktion von seiner hinterbliebenen zweiten Ehefrau, der Witwe …, wahrgenommen. Als Destinatäre bestimmte der Stifter in der ursprünglichen Satzung sich selbst, seine erste Ehefrau, Frau …, sowie seinen Adoptivsohn, Herrn …. Auf den Inhalt der Satzung wird Bezug genommen.
§ 2 Abs. 1 der Satzung vom 12.06.1968 lautet:
Zweck der Stiftung ist die Unterstützung des Stifters und seiner Ehefrau … sowie ihres Sohnes ….
Der Stifter bezeichnete die Stiftung in der Satzung als „rechtsfähige Familien-Stiftung des bürgerlichen Rechts” (§ 1 Abs. 2 der Satzung vom 12.06.1968). Ausschüttungen sollten die Destinatäre gemäß § 2 Abs. 2 und 3 der Satzung vom 12.06.1968 nur im Falle des Unterschreitens bestimmter Einkommensgrenzen erhalten.
§ 2 Abs. 2 der Satzung vom 12.06.1968 lautet:
Dem Stifter und seiner Ehefrau … gewährleistet die Stiftung nach Erreichen des 65. Lebensjahres des Stifters bis an ihr Lebensende eine Einnahme von monatlich zusammen DM 2.500,– brutto. Nach dem Tode eines Ehegatten verringert sich die Einnahmegarantie für den Überlebenden auf monatlich DM 2.000,– brutto. Diese Garantie verpflichtet die Stiftung zur Zahlung der Differenz, sofern und soweit die vorgenannten Beträge aus der Beteiligung der Eheleute … an den Verlagen, an denen sie direkt beteiligt sind, im betreffenden Kalenderjahr nicht erreicht werden. Die Garantiebeträge erhöhen sich jeweils um den Prozentsatz, um den sich das jeweilige Endgrundgehalt eines Bundesbeamten der Besoldungsgruppe A 16 verändert.
§ 2 Abs. 3 der Satzung vom 12.06.1968 lautet:
Herrn … … gewährleistet die Stiftung – vorbehaltlich des § 3 Abs. 2 – nach Vollendung des 30. Lebensjahres eine Einnahme von monatlich DM 1.200,– brutto und ab Vollendung des 35. Lebensjahres von monatlich DM 1.500,– brutto. Die Vorschrift des Absatzes 2 Satz 4 gilt entsprechend. Diese Garantie verpflichtet die Stiftung zur Zahlung der Differenz, sofern und soweit die vorgenannten Beträge aus Herrn … … direkten Beteiligungen an den Verlagen sowie aus seinen Einkünften aus den den Verlagen gewährten Darlehen im betreffenden Kalenderjahr nicht erreicht werden. Entnimmt Herr … nach Gründung der Stiftung Kapital ...