Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des Bodenwerts bei einer wesentlichen höheren Geschossflächenzahl des zu bewertenden bebauten Grundstücks als bei den Bodenrichtwertgrundstücken dieser Richtwertzone
Leitsatz (redaktionell)
1. Liegt ein ordnungsgemäß vom Gutachterausschuss festgestellter Bodenrichtwert für das zu bewertende Grundstück vor, ist dieser gemäß § 179 Satz 1 BewG in Verbindung mit § 196 BauGB anzusetzen. Dabei muss das Finanzamt diesen grundsätzlich unverändert (unmittelbar) übernehmen. Der Wert von Grundstücken, die von den lagetypischen wertbeeinflussenden Merkmalen des Bodenrichtwertgrundstücks abweichen, ist jedoch nach den Vorgaben des Gutachterauschusses aus dem Bodenrichtwert der jeweiligen Richtwertzone abzuleiten.
2. Der abgeleitete Bodenrichtwert ist dann auch der bewertungsrechtlich maßgebende Wert. Wertbeeinflussende Merkmale sind insbesondere Lage, Art und Maß der baulichen Nutzung. Letzteres kann sich in der Geschossflächenzahl (GFZ) und in der Anzahl der möglichen Geschosse ausdrücken. Insoweit ist zu prüfen, ob der Bodenrichtwert an eine abweichende mögliche bauliche Nutzung anzupassen ist. Eine Anpassung ist vorzunehmen, wenn die tatsächliche bauliche, nach dem zur Zeitpunkt der Bebauung gültigen Baurecht zulässige und legale, Ausnutzung des Bewertungsgrundstücks mit einer GFZ von 3,28 als wertbildendes Merkmal erheblich von der für das Bodenrichtwertgrundstück angesetzten zonentypischen GFZ von 2,5 abweicht.
3. Eine baurechtlich legale tatsächliche Bebauung eines Grundstücks, welche hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung über dasjenige des Bodenrichtwertgrundstücks hinausgeht, indiziert die mögliche bauliche Nutzung in der Weise, dass eine Ableitung des Bodenwertes aus dem Bodenrichtwert, mittels der durch den Gutachterausschuss veröffentlichten Umrechnungskoeffizienten (Erhöhung des Bodenrichtwertes), im Regelbewertungsverfahren regelmäßig geboten ist.
Normenkette
BewG § 9 Abs. 1-2, § 179 S. 1, § 184 Abs. 2, 3 S. 2; BauGB § 196
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen diese selbst.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Grundbesitzwertes (Bedarfswertfeststellung) betreffend das Grundstück B…-straße, C…, um die Frage, ob im Rahmen der Bodenwertermittlung der Bodenrichtwert (nach oben) anzupassen ist.
Der Kläger hat mit Wirkung jeweils zum 01. Juli 2018 (Stichtag) unter anderem das Bewertungsgrundstück im Rahmen der Gründung der D… GbR anteilig schenkweise auf die Beigeladenen übertragen. Die Beigeladene zu 1. erhielt einen Anteil am Bewertungsgrundstück von 45/1000, die Beigeladenen zu 2. und 3. jeweils einen Anteil von 30/1000. Das Bewertungsgrundstück hat eine Grundfläche von 891 m². Es ist mit einem 5-geschossigen Mietwohnhaus, Baujahr 1895, bebaut. Die Geschoßflächenzahl (GFZ) des Bewertungsgrundstücks beträgt 3,28.
Der Gutachterausschuss für Grundstückswerte in C… ermittelte zum 01. Januar 2018 für die Bodenrichtwertzone, in der das Bewertungsgrundstück belegen ist, einen Bodenrichtwert von 3.500,00 EUR/qm. Dabei war für das Bodenrichtwertgrundstück eine GFZ von 2,5 angesetzt worden.
Mit Bescheiden jeweils vom 05. Dezember 2018 stellte der Beklagte den Grundbesitzwert für das Bewertungsgrundstück auf 3.794.172,00 EUR fest. Dies entsprach einem Anteil der Beigeladenen zu 1. von 170.737,00 EUR sowie der Beigeladenen zu 2. und 3. von jeweils 113.825,00 EUR. Die Bescheide ergingen für den Kläger, jedoch mit Wirkung für und gegen alle Feststellungsbeteiligten. Die Wertermittlung erfolgte im Ertragswertverfahren. Der Bodenwertermittlung wurde der Bodenrichtwert zum 01. Januar 2018 zugrunde gelegt. Diesen passte der Beklagte mittels vom Gutachterausschuss veröffentlichten Umrechnungskoeffizienten (1,46) auf die tatsächliche Geschoßflächenzahl des Bewertungsgrundstücks an. So ergab sich ein Bodenwert von 3.794.172,00 EUR. Da der Gebäudeertragswert negativ war, wurde der Bewertung der Bodenwert als Mindestwert gemäß § 184 Abs. 3 Satz 2 Bewertungsgesetz (BewG) zugrundegelegt.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem, einheitlich gegen alle drei Bescheide erhobenen, Einspruch vom 14. Dezember 2018. Der Bewertung sei der Bodenwert des Bodenrichtwertgrundstücks (2,5) unangepasst zugrundezulegen.
Ein Verkehrswertgutachten gemäß § 198 BewG brachte der Kläger, trotz Hinweises des Beklagten, im Einspruchsverfahren nicht bei.
Mit Einspruchsentscheidungen vom 09. Dezember 2019 wies der Beklagte die Einsprüche des Klägers als unbegründet zurück und hielt an der Anpassung des Bodenrichtwertes fest. Dabei bezeichnete er jeweils die Beigeladenen als Einspruchsführer.
Der Kläger hat am 10. Januar 2020 Klage erhoben.
Die Anpassung des Bodenrichtwerts an die Geschoßflächenzahl der tatsächlichen Bebauung komme nicht in Betracht, ...