rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsveräußerung im Ganzen. Erwerber als Steuerschuldner hinsichtlich der vom Veräußerer erbrachten Leistungen bei Vereinnahmung von Entgelten nach dem Übertragungsstichtag
Leitsatz (redaktionell)
1. Mit einer Geschäftsveräußerung im Ganzen geht das Recht zur Wahl der Besteuerungsart für die vom Veräußerer bewirkten Umsätze nicht auf den Erwerber über.
2. Für Umsätze, die in dem Besteuerungszeitraum ausgeführt wurden, für den dem Unternehmer die Berechnung der Steuer nach vereinnahmten Entgelten erlaubt war, gilt diese Besteuerung weiterhin, auch wenn in späteren Besteuerungszeiträumen ein Wechsel zur Sollversteuerung eintritt.
3. Haben sowohl der Veräußerer als auch der Erwerber ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten versteuert und vereinnahmt der Erwerber nach dem Übertragungsstichtag Entgelte für noch vom Veräußerer erbrachte Leistungen, ist der Erwerber insoweit Schuldner der Umsatzsteuer. Dies gilt unabhängig davon, wem im Kaufvertrag die Umsatzsteuerschulden aus nach dem Übertragungsstichtag vereinnahmten Forderungen für vor dem Stichtag erbrachte Leistungen zugewiesen worden sind.
Normenkette
UStG § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, §§ 20, 1 Abs. 1a
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin, eine mit Gesellschaftsvertrag vom 28.11.2011 gegründete Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) – UG –, erwarb mit Kaufvertrag vom 28.11.2011 (Bl. 25 ff. der Gerichtsakte – GA –) von einer Frau B. deren bislang als Einzelunternehmen geführtes Reisebüro zum Übertragungsstichtag 20.12.2011. Es wurden laut Kaufvertrag das Anlage- und Umlaufvermögen (§§ 1, 2 des Kaufvertrags) übertragen, das Arbeitsverhältnis zur einzigen Mitarbeiterin der Verkäuferin fortgeführt (§ 3 des Kaufvertrags) und alle Rechte und Pflichten einschließlich offener Forderungen aus Verträgen mit Kunden übertragen (§ 4 des Kaufvertrags). Es wurde auch der Eintritt der Erwerberin in Dauerschuldverhältnisse der Verkäuferin mit Dritten vereinbart (§ 5 des Kaufvertrags). Die Klägerin führte das Reisebüro in den bisherigen Räumen unter der bisherigen Firma „A.” fort. In § 6 Abs. 2 des Kaufvertrags heißt es: „Vom Käufer ebenfalls nicht übernommen werden die bis zum Übertragungsstichtag begründeten und noch bestehenden Schulden des Verkäufers aus der im Betrieb des Handelsgeschäfts angefallenen Umsatzsteuer […] sowie einschließlich etwaiger Verpflichtungen des Verkäufers zur Rückerstattung umsatzsteuerlicher Vorsteuerabzüge und sonstiger Steuer- oder abgabenrechtlicher Vergütungen und Vergünstigungen”.
Die Verkäuferin versteuerte ihre Umsätze mit Gestattung des für sie zuständigen Finanzamts – FA – C. nach vereinnahmten Entgelten (§ 20 Umsatzsteuergesetz – UStG –). Der Klägerin gestattete der Beklagte mit Schreiben vom 19.01.2012 auf ihren entsprechenden Antrag vom 14.01.2012 ebenfalls ab 2012 die Ist-Besteuerung nach § 20 UStG.
In den ersten elf Monaten des Jahres 2012 vereinnahmte die Klägerin insgesamt netto 14.139,00 EUR an offenen Provisionsforderungen aus zum Regelsteuersatz steuerpflichtigen Umsätzen aus der Zeit vor dem Erwerb des Reisebüros (entspricht einer Umsatzsteuer i. H. v. 2.686,00 EUR, vgl. Aufstellung der einzelnen Monate ab S. 4 des Umsatzsteuersonderprüfungsberichts vom 17.06.2013).
Diese Beträge erklärte sie in ihren Umsatzsteuer-Voranmeldungen 1-10/2012 zunächst als steuerpflichtige Umsätze.
Am 29.08.2012 wurde über das Vermögen der B. das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Schreiben vom 05.02.2013 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie die Umsatzsteuer-Voranmeldungen dahingehend korrigiere, dass die vereinnahmten Provisionen nicht mehr als steuerbare Umsätze der Klägerin angesehen würden, weil sie der Verkäuferin zuzuordnen seien.
Der Beklagte führte eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch und kam zu dem Ergebnis, dass die Provisionen jeweils bei Vereinnahmung von der Klägerin zu versteuern seien.
Mit Bescheiden vom 18.11.2013 setzte der Beklagte die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen 1-10/2012 entsprechend unter Einbeziehung der streitigen Provisionen gegen die Klägerin fest (Bescheide Bl. 20 ff. der Rechtsbehelfsakte – Rb –).
Die Klägerin legte am 27.11.2013 Einspruch ein (Bl. 49 Rb). Sie wandte sich gegen die Zurechnung der Provisionen zu ihr und beantragte im Einspruchsschreiben hilfsweise für das Einzelunternehmen der Verkäuferin (aber im eigenen Namen) für das Jahr 2011 den Wechsel zur Besteuerung nach vereinbarten Entgelten.
Mit Schreiben an das FA C. vom 10.02.2014 (Bl. 63 Rb) beantragte der Prozessbevollmächtige der Klägerin im Namen und Auftrag der B. den Wechsel von der Ist- zur Sollbesteuerung für das Jahr 2011.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 18.03.2014 als unbegründet zurück. Die Umsatzsteuer sei nicht nach § 6 Abs. 2 des Kaufvertrags der Verkäuferin zuzurechnen, weil sie nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b...