rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwendiger Inhalt einer Rechtsbehelfsbelehrung. Wiedereinsetzung wegen plötzlicher Erkrankung
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist nicht erforderlich, dass die Rechtsbehelfsbelehrung für jeden nur denkbaren Fall Varianten enthält oder dass sie auf den konkreten Einzelfall zugeschnitten ist. Erforderlich ist nur der in § 356 Abs. 1 AO vorgeschriebene Inhalt (Beginn der Frist; Länge der Frist; Angabe der Behörde, bei der der Rechtsbehelf einzulegen ist), nicht aber eine Angabe des Tags, an dem die Einspruchsfrist endet. Weitere, nicht notwendige Angaben müssen richtig und unmissverständlich sein.
2. Ein schuldloses Fristversäumnis ist anzunehmen, wenn eine Person so plötzlich und so schwer erkrankt, dass sie an der Einhaltung einer Frist gehindert ist und zusätzlich nicht in der Lage ist, einen Vertreter zur Vornahme der Handlung zu bestimmen. Die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Bevollmächtigten mit der Diagnose „A09G” „A09” = Diarrhoe und Gastroenteritis, vermutlich infektiösen Ursprungs, „g” steht für gesichert) legt nicht dar, dass der Bevollmächtigte der Kläger plötzlich und so schwer erkrankt war, dass er innerhalb der Frist weder die Einspruchseinlegung noch die Bestellung eines Vertreters hätte vornehmen können.
3. Ein Berater ist generell gehalten, für einen eintretenden Krankheitsfall eine Vertretung in der Weise sicherzustellen, dass eine Fristwahrung für seine Mandanten gesichert ist. Fehlt eine solche Organisation, so ist dies fahrlässig.
Normenkette
AO § 356 Abs. 1, 2 S. 1, § 357 Abs. 1, § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 355 Abs. 1 S. 1, § 110 Abs. 1-2
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 08.09.2015; Aktenzeichen VIII R 11/13) |
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden den Klägern auferlegt.
Tatbestand
Die Kläger sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
Der Kläger ist Alleingesellschafter der C. GmbH. Für diese GmbH wurde im Jahre 2002 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt und vom Amtsgericht mit Beschluss vom 01.09.2002 eröffnet. Das Insolvenzverfahren ist noch nicht abgeschlossen.
Die Kläger reichten die Einkommensteuererklärung 2004 am 13.01.2006 und die Einkommensteuererklärung 2005 am 06.02.2007 beim Beklagten ein. Nachdem der Beklagte zunächst Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung – AO – erlassen hatte, änderte er diese mit den hier angefochtenen Bescheiden vom 28.08.2008 und hob den Vorbehalt der Nachprüfung für 2004 auf. Dabei berücksichtigte der Beklagte erstmals im Jahre 2004 einen Verlust gemäß § 17 Einkommensteuergesetz – EStG –, setzte die Einkommensteuer 2004 mit null Euro fest, trug einen Teil des Verlustes in das Jahr 2003 zurück, stellte den nicht ausgeglichenen Verlust zum 31.12.2004 gemäß § 10d Abs. 3 EStG gesondert fest, berücksichtigte diesen Verlust vollständig bei der Einkommensteuer 2005 und stellte einen nicht ausgeglichenen Verlust in Höhe von null Euro zum 31.12.2005 fest.
Am 02.10.2008 ging beim Beklagten ein Einspruchsschreiben vom 04.10.2008 des Prozessbevollmächtigten der Kläger für diese ein, mit dem sich die Kläger gegen alle Bescheide vom 28.08.2008 wandten. Es seien für 2004 noch Zinsen in Höhe von 25.147,38 EUR als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen aus seiner Beteiligung an der GmbH zu berücksichtigen. In 2005 seien noch 12.760,02 EUR als nachträgliche Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung als Verlust aus § 17 EStG zu berücksichtigen. Es werde ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Einspruchsfrist nach § 110 AO gestellt. Ausweislich der in Kopie beigefügten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei der Prozessbevollmächtigte der Kläger krankheitsbedingt bis zum 02.10.2008 schuldlos an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert gewesen. Dem Einspruchsschreiben war eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für die Zeit vom 22.09.2008 bis einschließlich 02.10.2008 mit der Diagnose „A09G” beigefügt.
Auf Nachfrage des Beklagten mit Schreiben vom 16.10.2008 und Erinnerung vom 21.11.2008 ergänzte der Prozessbevollmächtigte der Kläger seinen Vortrag zur Wiedereinsetzung mit Schreiben vom 09.12.2008, welches auch an diesem Tage beim Beklagten einging, dahingehend, dass er eine akute Magen-Darm-Entzündung gehabt habe. Diese habe ihn in dem maßgeblichen Zeitraum aufs Äußerste beeinträchtigt und in seinem Gesamtzustand massivst außer Gefecht gesetzt. Er sei ursprünglich davon ausgegangen, dass sich der Krankheitszustand schnell wieder beruhigen werde. Dies sei nicht eingetreten. Vielmehr habe sich der Zustand rapide verschlimmert, so dass es auch nicht möglich gewesen sei, kurzfristig einen Vertreter zu bestellen. Sein Fax-Gerät sei seit einiger Zeit reparaturbedürftig. Es empfange regulär, versende Faxe aber nicht an die externe Nummer, sondern sende diese auf die eigene Büro-Telefonnummer. Er habe vor der Krankheit schon einen Techniker beauftragt, der damals aufgetr...