Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Steuerfreiheit von Zinsen nach § 2 Sätze 9-11 NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz (NS-VEntschG) in der Fassung von Art. 2 Nr. 1 Entschädigungsrechtsänderungsgesetz (EntschRÄndG) gemäß § 3 Nr. 7 EStG. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VIII R 36/23)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Zinsen nach § 2 Sätze 9-11 NS-VEntschG in der Fassung von Art. 2 Nr. 1 EntschRÄndG sind Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und daher nicht gemäß § 3 Nr. 7 EStG steuerfrei.

2. Der Zusatz in § 3 Nr. 7 EStG „soweit sie nicht Kapitalerträge im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und § 20 Abs. 2 EStG sind” bezieht sich nicht nur auf das Entschädigungsgesetz und das Ausgleichsleistungsgesetz, sondern auch auf das NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz.

 

Normenkette

EStG § 3 Nr. 7, § 20 Abs. 1 Nr. 7; NS-VEntschädG § 2 Sätze 9-11

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Steuerfreiheit von Zinsen nach § 2 Sätze 9 bis 11 NS-VerfolgtenentschädigungsgesetzNS-VEntschG – in der Fassung von Artikel 2 Nr. 1 Entschädigungsrechtsänderungsgesetz – EntschRÄndG – gemäß § 3 Nr. 7 Einkommensteuergesetz -EStG-.

Die Klägerin ist eine Erbengemeinschaft, die aus den Geschwistern B… und C… besteht.

Die Klägerin hatte als Berechtigte wegen des verfolgungsbedingten Eigentumsverlustes des Bankgeschäftes D… am 26. März 1991 einen Antrag auf Rückübertragung gestellt. Der jüdische Firmeninhaber des Bankhauses D…, E…, war 1938 von den nationalsozialistischen Machthabern gezwungen worden, keine Geschäfte mehr zu tätigen und seine Firma zu löschen.

Der Antrag auf Rückübertragung wurde durch das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen – BADV – mit Bescheid vom 13. Juli 2017 aufgrund der Unmöglichkeit der Rückgabe des Unternehmens abgelehnt. Es wurde der Klägerin jedoch für den Verlust des Bankgeschäftes dem Grunde nach eine Entschädigung nach dem NS-VEntschG zuerkannt.

Mit Bescheid vom 2. Juli 2018 erkannte das BADV der Klägerin dann der Höhe nach einen Anspruch auf Entschädigung wegen des Eigentumsverlustes des Bankgeschäftes D… nach Maßgabe des NS-VEntschG in Höhe von EUR 514.119,35 zu. Zusätzlich setzte das BADV gemäß § 2 Sätze 9 bis 11 NS-VEntschG i. V. m. Artikel 2 Nr. 1 EntschRÄndG Zinsen in Höhe von 0,5 % pro Kalendermonat auf den festgestellten Entschädigungsbetrag für die Zeit von Januar 2004 bis einschließlich Juni 2018 in Höhe von insgesamt EUR 447.283,83 fest. Die Klägerin erhielt den Entschädigungsbetrag und den Zinsbetrag im Jahr 2018.

Mit ihrer am 20. September 2019 an den Beklagten übermittelten Feststellungserklärung für 2018 beantragte die Klägerin den Entschädigungsbetrag und den Zinsbetrag nach § 3 Nr. 7 EStG steuerfrei zu stellen. Mit Schreiben vom selben Tage führte sie zur Begründung aus, dass die Zinsen ein Teil der Entschädigungsleistung und daher nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig seien. Dies ergebe sich daraus, dass die Verzinsung ausweislich der Gesetzesbegründung nicht eingeführt worden sei, um entgangene Vermögensvorteile auszugleichen, sondern, um die Behörde mittels einer „Strafverzinsung” zu einer schnelleren Bearbeitung der bei ihr gestellten Anträge anzuhalten. Zudem sei dem BADV weder freiwillig noch unfreiwillig Kapitalvermögen zur Nutzung überlassen worden. Es sei bereits unklar, welchen wirtschaftlichen Wert die Klägerin zur Nutzung überlassen haben sollte. Eine wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit bestehe erst nach Erlass des Bescheides über die Entschädigung. Die Klägerin habe keine Kapitalforderung in der Zeit zwischen der Antragstellung auf Entschädigung und dem Erlass des Bescheides innegehabt, die sie hätte nutzen können. Vielmehr handele es sich bei der Zahlung um eine steuerfreie Ausgleichszahlung wegen der verzögerten Bearbeitung des Antrages der Klägerin auf Entschädigung. Im Übrigen könne es nicht die Absicht des Gesetzgebers sein, den erhaltenen Betrag letztlich durch eine Belastung mit Einkommensteuer zu mindern.

Der Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit, dass er diese Auffassung nicht teile und beabsichtige, den Zinsanspruch in Höhe von EUR 447.283,83 als Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu behandeln. Die Zinsen seien nicht Teil der Entschädigungsleistung und somit nicht nach § 3 Nr. 7 EStG steuerfrei. Es handele sich auch nicht um steuerfreien Schadenersatz für die verzögerte Bearbeitung des Antrags auf Entschädigung. Die Verzinsung stelle ihrer Art nach eine Verzinsung wegen der verzögerten Auszahlung der Entschädigung, vergleichbar mit Steuererstattungszinsen nach § 233a AbgabenordnungAO – dar. Das NS-VEntschG spreche in seinem § 2 auch eindeutig von einer Zinszahlung.

Mit Bescheid für 2018 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen – Feststellungsbescheid – vom 12. Februar 2020 stellte der Beklagte ankündigungsgemäß Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe...

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