Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer, mittelbare Anteilsvereinigung einer bisher über eine Kapitalgesellschaft zu 95 % an einer grundbesitzenden Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG beteiligten Steuerpflichtigen durch Hinzuerwerb der restlichen 5 % sowie aller Anteile an der Komplementär-GmbH
Leitsatz (redaktionell)
1. Als „Anteil” im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Personengesellschaft zu verstehen, das heißt die aus der Mitgliedschaft in der Personengesellschaft folgende gesamthänderische Mitberechtigung hinsichtlich des (aktiven) Gesellschaftsvermögens. Eine Beteiligung an der Personengesellschaft in diesem Sinne kann auch derjenige Gesellschafter innehaben, der keinen Anteil am Gesellschaftskapital hält (Anschluss an BFH-Urteil v. 12.3.2014 – II R 51/12). Daran hat sich durch die Absenkung der für die Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG erforderlichen Mindestbeteiligungsquote auf 95 % durch Art. 15 Nr. 1 Buchst. b2. StEntlG 1999/2000/2002 nichts geändert.
2. Daher kann eine mittelbar über eine Kapitalgesellschaft als Kommanditistin bereits zu 95 % an einer grundstückshaltenden Personengesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG beteiligte Steuerpflichtige infolge einer mittelbaren Anteilsvereinigung den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG verwirklichen, wenn in einer notariellen Urkunde die Kapitalgesellschaft auch noch die bisher von einem anderen Kommanditisten gehaltene 5 %-Kommanditbeteiligung an der KG und die Steuerpflichtige selbst 100% der Anteile der – vermögensmäßig nicht an der KG beteiligten – Komplementär-GmbH der KG erwirbt. Dieser Vorgang ist nicht nach § 6 Abs. 3 GrEStG steuerfrei.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 2a, § 6 Abs. 3; BGB § 719 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, war zu 100 % Gesellschafterin der A. Betriebsgesellschaft mbH (im Folgenden: A. GmbH).
Unter dem Datum vom 30.08.2011 – URNr. 1…/2011, Notar B. – wurden Gesellschafterbeschlüsse sowie Kauf- und Abtretungsverträge beurkundet. Beteiligt an der Urkunde waren die A. GmbH, die Klägerin, die D. GmbH E. (im Folgenden: D. GmbH), die F. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH E. (im Folgenden: F. GmbH), die F. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH und Co. Immobilien-Vermietungs KG E. (im Folgenden: F. KG) sowie die G. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH E. (im Folgenden: G. GmbH).
Laut Teil A) bestanden folgende Beteiligungsverhältnisse – gesellschaftsrechtliche und vermögensmäßige Beteiligung –:
F. KG |
⇑ Kommanditist – 95 % |
⇑ Kommanditist – 5 % |
⇑ Komplementär – 0 % |
A. GmbH |
G. GmbH |
F. GmbH |
⇑ 100 % |
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⇑ 100 % |
Klägerin |
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D. GmbH |
Weiter enthält Teil A) eine Zusammenfassung der beurkundeten Vorgänge sowie die Regelung, dass die Klägerin die aus der Urkunde entstehenden Steuern zu tragen habe, Pkt. 10.
Im Teil B) übertrug die D. GmbH ihre 100 %-Anteile an der F. GmbH auf die Klägerin.
Die F. GmbH wurde umbenannt in H. Grundstücksverwaltungsgesellschaft GmbH (im Folgenden: H. GmbH).
Im Teil C) übertrug die G. GmbH ihren 5 %-Kommanditanteil an der F. KG auf die A. GmbH.
Im Teil D) wurde die Firma der F. KG umbenannt in H. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH & Co. Immobilien-Vermietung KG mit Sitz in C. (im Folgenden: H. KG. Im Ergebnis stellte sich die Gesellschaftsstruktur wie folgt dar:
H. KG C. (F. KG) |
⇑ Kommanditist – 100 % |
⇑ Komplementär – 0 % |
A. GmbH |
H. GmbH (F. GmbH) |
⇑ 100 % |
⇑ 100 % |
Klägerin |
Klägerin |
Unter dem 14.11.2011 teilte der beurkundende Notar dem Beklagten mit, alle zur Rechtswirksamkeit erforderlichen Genehmigungen lägen nunmehr vor.
Auf Anfrage des Beklagten teilte die Klägerin mit Schreiben vom 09.12.2011 mit, die H. KG habe Grundbesitz in Form des Grundstücks I., Flur 921, Flurstück 167. Ein grunderwerbsteuerbarer Vorgang liege jedoch nicht vor. Die Klägerin sei über ihre 100 %-Beteiligung an der A. GmbH bereits vorher zu 95 % mittelbar an der H. KG beteiligt gewesen und habe nunmehr durch den Erwerb der Komplementärin eine Beteiligung von 100 % an der H. KG erlangt. Dadurch habe sich nur eine Verstärkung der bestehenden Beteiligung ergeben.
Mit Schreiben vom 16.05.2012 führte die Klägerin weiter aus, die grundsätzliche Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) auf den Streitfall werde nicht bestritten. Die Klägerin stütze sich jedoch auf die Anwendung von § 1 Abs. 2a GrEStG. Dieser postuliere eine Grunderwerbsteuerpflicht, wenn mittelbar oder unmittelbar 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergingen. Würden bereits 95 % gehalten, löse ein nachfolgender Erwerb der restlichen Anteile oder ein unmittelbarer Erwerb bisher nur mittelbar gehaltener Anteile keine Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 3 GrEStG aus (Verweis auf Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 20.10.1993 – II R 116/90 –, Bundess...