rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Umsatzsteuerbefreiung von an sog. Lotsendienste für Gründungswillige erbrachten qualifizierten Beratungsleistungen, wobei Existengründer in der Vorgründungsphase unterstützt werden
Leitsatz (redaktionell)
Erbringt ein hauptsächlich im Bereich Personal- und Projektentwicklung sowie Coaching selbstständig tätiger Einzelunternehmer zusätzlich gegenüber verschiedenen aus öffentlichen Kassen unterstützten Projektträgern (sog. Lotsendiensten) qualifizierte (u. a. betriebswirtschaftliche) Beratungsleistungen in der Vorgründungsphase für vertraglich bestimmte Gründungsvorhaben (z. B. Handwerk, Bauunternehmen) von Existenzgründern, sind diese Beratungsleistungen weder nach § 4 Nr. 21 Buchst. a oder b UStG noch nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, i oder j MwStSystRL umsatzsteuerfrei (Anschluss an BFH-Urteil v. 29.3.2017, XI R 6/16, BFH/NV 2017 S. 1145).
Normenkette
UStG § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. aa, Buchst. a Doppelbuchst. bb, Buchst. b Doppelbuchst. bb, § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1; MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. g, i, j
Tenor
Der Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 24.05.2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.07.2015 wird in der Weise geändert, dass die Umsatzsteuer 2009 um 1.455,98 EUR niedriger festgesetzt wird.
Der Umsatzsteuerbescheid 2010 vom 11.03.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.07.2015 wird in der Weise geändert, dass die Umsatzsteuer 2010 um 2.986,83 EUR (= 837,58 EUR + 2.149,25 EUR) niedriger festgesetzt wird.
Der Umsatzsteuerbescheid 2011 vom 11.03.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.07.2015 wird in der Weise geändert, dass die Umsatzsteuer 2011 um 830,98 EUR (= 274,24 EUR + 556,74 EUR) niedriger festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden zu 75 % dem Kläger und zu 25 % dem Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist bei der Umsatzsteuer 2008 bis 2011, ob Leistungen des Klägers als Bildungsleistungen steuerfrei sind.
Der Kläger ist als Einzelunternehmer im Bereich Personal- und Projektentwicklung sowie Coaching tätig. Er versteuert seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (Genehmigung vom 23.03.2004, im Vorhefter von Bd. I der Umsatzsteuerakte – USt –). Die unternehmerische Tätigkeit des Klägers bestand – neben anderen, unstreitig umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen, die in allen Jahren betragsmäßig die hier streitigen Umsätze deutlich übersteigen – in der Beratung von Existenzgründern in der Vorgründungsphase (sog. Coachings).
Grundlage seiner Vergütungen waren Verträge mit verschiedenen Projektträgern (sog. Lotsendiensten), z. B. mit der B… GmbH, dem C… e. V., dem D… Zentrum GmbH und der E… GmbH, Lotsendienst der Uni F…. Die Lotsendienste erhielten Förderzuwendungen aus öffentlichen Kassen von der G… GmbH. In einem Vertrag zwischen dem Kläger und der B… GmbH vom 08.12.2008 (Bd. I Bl. 70 USt) ist geregelt, dass sich der Kläger als Auftragnehmer gegenüber der B… GmbH als Auftraggeber verpflichtete, qualifizierte Beratungsleistungen in der Vorgründungsphase für ein im Vertrag bestimmt bezeichnetes Gründungsvorhaben (Handwerk – Bauunternehmen) eines bestimmten Existenzgründers (H…) zu erbringen. Zu den Verpflichtungen des Klägers gehörte auch, der B… GmbH nach Abschluss der Beratung einen Abschlussbericht sowie den Businessplan und die Gewerbeanmeldung des Existenzgründers und dessen Antrag auf Gründerzuschuss oder Einstiegsgeld zu übergeben. Die B… GmbH verpflichtete sich im Gegenzug zur Zahlung einer pauschalen Vergütung i. H. v. 800,00 EUR an den Kläger, mit der sämtliche Leistungen des Klägers und seine Aufwendungen abgegolten sein sollten. In dem Vertrag wurden die Leistungen des Klägers als nach § 4 Nr. 21 Umsatzsteuergesetz – UStG – steuerfrei bezeichnet. Weitere vorliegende Verträge mit der B… GmbH (Bd. I Bl. 75, 80, 113, 139 USt), der E… GmbH (Bd. I Bl. 85, 88, 91, 94 USt) und dem D… Zentrum GmbH (Bd. I Bl. 98, 100, 102, 131 USt) enthalten vergleichbare Regelungen; teilweise ist ausdrücklich die Auszahlung der Vergütung erst nach Eingang von Fördermitteln der G… GmbH beim Auftraggeber fällig. Vorliegende Verträge mit dem C… e. V. (Bd. I Bl. 107, 118, 123, 125, 126, 128, 133, 144, 150 USt) und einige der Verträge mit der E… GmbH (Bd. I Bl. 130, 147 USt) weichen insoweit von den anderen Verträgen ab, als die Existenzgründer dort nicht namentlich benannt wurden und es sich teilweise auch um Veranstaltungen für mehrere Existenzgründer handelte. Direkte Vertragsbeziehungen zwischen dem Kläger und den zu beratenden Existenzgründern gab es bei den hier streitigen Umsätzen nicht.
In der Richtlinie des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie des Landes Brandenburg zur Förderung der qualifizierenden Beratun...