Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen im Zusammenhang mit der Rückübertragung des Eigentums an einem im ehemaligen Ostteil Berlins gelegenen Grundstück - vorweggenommene Werbungskosten oder Anschaffungskosten?
Leitsatz (redaktionell)
Im Zusammenhang mit der Rückübertragung eines im früheren Ostteil Berlins gelegenen Mietwohngrundstücks geleistete Zahlungen für die Rückübertragung des Eigentums sowie für Aufwendungsersatz an die bisherigen Eigentümer stellen keine vorweggenommenen Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern Anschaffungskosten (§ 255 Abs. 1 HGB) dar.
Normenkette
EStG §§ 7, 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7, § 21 Abs. 1 Nr. 1; HGB § 255 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob eine von der Klägerin nach der Wiedervereinigung erbrachte „Ausgleichszahlung“ in Höhe von 100.000 DM, die im Zusammenhang mit der Rückübertragung einer im früheren Ostteil Berlins gelegenen Immobilie stand, als sog. vorweggenommene Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Vermietung und Verpachtung im Jahr der Verausgabung in vollem Umfang steuermindernd zu berücksichtigen ist oder nicht.
Die Klägerin, die bis Ende 1993 ... eine Arztpraxis als Einzelunternehmerin betrieb, hatte nach der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 beim Amt für offene Vermögensfragen in Berlin einen Rückübertragungsanspruch hinsichtlich eines ... qm großen Grundstücks in Berlin ... i. S. von § 3 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) angemeldet. Die Klägerin hatte am 7. Mai 1979 unter ihrem damaligen Namen ... das Alleineigentum an dem Grundstück erlangt und war entsprechend im Grundbuch eingetragen worden. Nach einem gescheiterten Fluchtversuch, anschließendem Arbeitsverbot und der Verbringung ihrer Kinder in ein Erziehungsheim wandte sie sich mit ihrem Ausreiseanliegen an die Rechtsanwaltskanzlei X. in Ost-Berlin. Dort wurde sie an einen Rechtsanwalt Y. verwiesen, der für inhaftierte Ausreisewillige zuständig war. Dieser wies sie auf die übliche Behördenpraxis in der Deutschen Demokratischen Republik hin, wonach eine Ausreise erst nach Veräußerung etwaigen Grundbesitzes möglich sei. Daraufhin sah sich die Klägerin in einer Zwangslage und stimmte nur deshalb am 19. März 1980 einem notariell beurkundetem Kaufvertrag zu, wonach die Eheleute Y. das Eigentum an der Immobilie gegen Übernahme der bestehenden Hypothekenkredite erwarben. Die Immobilie war damals mit Hypothekenkrediten in Höhe von 150.000 DM belastet.
Das betreffende Grundstück war mit zwei Mehrfamilienhäusern bebaut (Vorder- und Hinterhaus, ..., die über gemeinsame Versorgungseinrichtungen miteinander verbunden waren. Im Vorderhaus wohnten zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung die Eltern der Klägerin, ..., im Hinterhaus die Eheleute Y. Die Eheleute Z. entrichteten an die Eheleute Y. als Grundstückseigentümer die auf das Vorderhaus anteilig entfallenden Betriebskosten.
Am 20. März 1992 schloss die Klägerin mit den Eheleuten Y. eine notariell beurkundete Vereinbarung zur Beendigung des Restitutionsverfahrens. Danach verpflichteten sich die bisherigen Eigentümer, das Eigentum auf die Klägerin zurückzuübertragen und das Grundstück bis zum 31. März 1993 zu räumen. Als Ausgleich für die von den Eheleuten Y. im Jahre 1980 übernommenen Hypothekenkreditverpflichtungen sollten diese 75.000 DM (Umrechnungskurs: 2 zu 1, vgl. § 7a Abs. 1 Satz 2 VermG) erhalten. Mit weiteren 100.000 DM sollten Aufwendungen erstattet werden, die die bisherigen Eigentümer während der Nutzung des Grundstücks geleistet hätten. Aufgrund der Einigung zwischen den sog. Verfügungsberechtigten zur DDR-Zeit und der Klägerin als Restitutionsberechtigte erließ das Amt zur Regelung offener Vermögensfragen am 11. Februar 1993 einen Bescheid, mit dem das Restitutionsverfahren für beendet erklärt wurde.
Die Klägerin vermietete das Hinterhaus nach Durchführung umfangreicher Renovierungsmaßnahmen ab dem 1. Februar 1993 für die Zeit bis zum 31. Januar 1998 befristet an einen Unternehmensberater. Die Kaltmiete für das nunmehr von der Witwe Z. allein angemietete Vorderhaus betrug zunächst ... DM monatlich..
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1992 machte die Klägerin die Ausgleichszahlung an die Voreigentümer in Höhe von 100.000 DM als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Mieteinnahmen wurden für jenes Jahr nicht erklärt. Der Beklagte erkannte diese Kosten unter Hinweis auf Tz. 3 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 11. Januar 1993 (Bundessteuerblatt - BStBl - I 1993, 18) nicht als Werbungskosten an (vgl. Einspruchsentscheidung vom 20. Juli 1999). Nach diesem Erlass stellen Wertausgleichszahlungen i. S. von § 7 VermG keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dar, sondern seien als Leistungen auf der Vermögensebene einkommensteuerrechtlich unbeachtlich.
Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung für 199...