Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung zwischen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln. Rechtmäßigkeit der zollbehördlichen Einziehung in Deutschland nicht zugelassener Arzneimittel bei der Einfuhr. Vereinbarkeit des deutschen Arzneimittelrechts mit Europäischem Gemeinschaftsrecht. Zollrecht (einschl. Zolltarif)

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ausschlaggebend für die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel ist seine an objektive Merkmale anknüpfende überwiegende Zweckbestimmung, wie sie sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt (Verkehrsauffassung).

2. Ausführungen zu Zusammensetzung und Zweckbestimmung der im Ergebnis als Arzneimittel angesehenen streitgegenständlichen Präparate „Vitacor Plus TM” und „ImmunoCell TM”.

3. § 2 Abs. 1 AMG 1976 steht nicht in Widerspruch zum gemeinschaftsrechtlichen Arzneimittelbegriff.

4. Die in Deutschland für die Präparate „Vitacor Plus TM” und „ImmunoCell TM” bestehende Zulassungspflicht nach § 21 AMG 1976 stellt keine Behinderung des freien Warenverkehrs nach Art. 28 EG dar.

 

Normenkette

ZollVG § 7 Abs. 1 Nr. 3, § 13; ZK Art. 57, 75; AMG 1976 § 2 Abs. 1, §§ 21, 73; EG Art. 28

 

Nachgehend

BFH (Entscheidung vom 22.02.2006; Aktenzeichen VII B 74/05)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Gegenstand des Klagebegehrens sind die Aufhebung einer Verfügung des Beklagten vom…, mit der dieser von der Klägerin ins Inland verbrachte Präparate mit den Bezeichnungen „ImmunoCell” und „Vitacor Plus” sicherstellte, und die Herausgabe dieser Präparate an die Klägerin. Dem Rechtsstreit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Juni 2001 kehrte die Klägerin nach einem 2 jährigen Aufenthalt in einer Missionsstation in Indonesien in die Bundesrepublik Deutschland zurück. Ihre persönlichen Gegenstände hatte sie zuvor per Post auf dem Seeweg in insgesamt acht Paketen zurück nach Deutschland verschickt. Diese Pakete trafen – teilweise einzelnen – über den Hafen Hamburg in Bremerhaven ein und wurden dort von ihren Eltern Anfang Juli 2001 abgeholt. Unter den Paketen befand sich die Paketlieferung Nr. …, die in Bremerhaven durch den Zoll geöffnet wurde und u. a. die streitigen Präparate,

  • drei Packungen „Vitacor Plus TM” zu je neunzig Stück (Verkaufspreis einer Packung 82,10 DM = 41,98 EUR) und
  • zwei Packungen „Immunocell TM” zu je 90 Stück (Verkaufspreis einer Packung 54,80 DM = 28,02 EUR),

enthielt. Das zuständige Zollamt … lehnte die Annahme einer Zollanmeldung dieser Präparate ab und stellte sie sicher, weil es sich bei ihnen nach Auskunft der für die Überwachung des Verkehrs mit Arzneimitteln zuständigen Bremer Landesbehörde (Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales) um Arzneimittel handle, die nach dem Arzneimittelgesetz nicht ohne Zulassung eingeführt werden dürften. Der dazu ergangene, angefochtene Bescheid des Beklagten vom … hatte auszugsweise den nachstehenden Inhalt…

„… Nach dem Ergebnis der arzneimittelrechtlichen Begutachtung durch den Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales, … Bremen, unterliegen die mit der o. a. Postsendung eingeführten Produkte

  • Natural Vitamin C Tabletten
  • ImmunoCell
  • Vitacor Plus

der Zulassung nach § 21 ff ArzneimittelG.

Entsprechende Zulassungen liegen nicht vor.

Hinsichtlich dieser Waren wird die Annahme der Zollanmeldung gem. § 7 Abs. 1 Nr. 3 Zollverwaltungsgesetz abgelehnt.

Gleichzeitig werden diese Waren gem. Art. 57 Zollkodex i.V.m. § 13 Zollverwaltungsgesetz sichergestellt. Da eine Rücksendung offensichtlich nicht in Betracht kommt, werden die Waren zu gegebener Zeit vernichtet werden.

Eine Rechtsbehelfbelehrung ist als Anlage beigefügt.

Die von einer Kasseler Apotheke hergestellten Kapseln mit Vitamin B1 und Kieselerde können zollrechtlich als Rückware abgefertigt werden.”

Die Klägerin legte dagegen unter dem …. Einspruch ein mit der Begründung, es handle sich bei den sichergestellten Präparaten nicht um zulassungspflichtige Arzneimittel bzw. die Präparate seien im Falle einer Einstufung als Arzneimittel von der Zulassungspflicht befreit.

Mit Einspruchsentscheidung vom … wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Er führte aus, nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 Zollverwaltungsgesetz (ZollVG) lehne die Zollstelle die Annahme der Zollanmeldung ab, wenn Verbote und Beschränkungen entgegenstünden. Unter diese Vorschrift fielen auch Arzneimittel, denn gem. § 73 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln, BGBl I 1976, 2445, 2448, neugefasst durch Bek. v. 11.12.1998; zuletzt geändert durch Art. 1 G v. 9.12.2004 – im Folgenden: AMG 1976) dürften Arzneimittel, die der Pflicht zur Zulassung oder zur Registrierung unterlägen, nur dann in den Geltungsbereich des AMG 1976 verbracht werden, wenn Sie dort zum Verkehr zugelassen oder registriert oder von der Zulassung bzw. Registrierung freigestellt seien.

Wegen Zweifeln an der Einfuhrfähigkeit der von der Klägerin zur Über...

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