rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Nacherhebung von Antidumpingzoll. Fahrradrahmen und Vorderradgabeln mit Ursprung in der Volksrepublik China. Berichtigung der Person des Anmelders im Hinblick auf die Anführung eines indirekten Vertretungsverhältnisses. Anschreibeverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Für Fälle, in denen die Zollschuld vor dem 1.5.2016 entstanden ist, gelten noch die materiell-rechtlichen Bestimmungen der VO (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex). Dagegen sind die Verfahrensvorschriften der VO (EU) Nr. 952/2013 (Zollkodex der Union) auf alle bei ihrem Inkrafttreten anhängigen Rechtsstreitigkeiten anwendbar.
2. Die Vorschrift des Art. 78 Abs. 3 ZK ist einerseits als unmittelbare Ermächtigungsgrundlage zu verstehen; andererseits kann sie als Korrekturinstrument verwendet werden, wenn sich bei einer nachträglichen Prüfung von Zollanmeldungen, die zum Entstehen von Abgaben geführt haben oder hätten führen müssen, herausstellt, dass diese nicht oder unrichtig buchmäßig erfasst wurden.
3. Auch eine Änderung der Angaben zur Person des Anmelders im Hinblick auf die Anführung eines indirekten Vertretungsverhältnisses kann im Wege der Korrektur nach Art. 78 Abs. 3 ZK erfolgen.
4. Typischerweise tritt ein Spediteur als indirekter Vertreter auf. Der Nachweis der Vertretungsmacht gegenüber den Zollbehörden nach Art. 5 Abs. 5 ZK kann nicht nur durch die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht, sondern grundsätzlich mit allen nach dem einzelstaatlichen Verfahrensrecht zulässigen Beweismitteln geführt werden.
5. Der Nutzung des Anschreibeverfahrens steht nicht entgegen, dass es sich um eine Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr zur (sinngemäßen) besonderen Verwendung handelt.
Normenkette
EGV 88/97 Art. 14c; ZK Art. 78 Abs. 3, Art. 5, 82 Abs. 1
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung der drei Einfuhrabgabenbescheide (Az.: … und …), jeweils vom 16. Juni 2016, und der dazu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 – soweit damit der Antrag der Klägerin nach Art. 78 Abs. 3 ZK auf Änderung der den genannten Einfuhrabgabenbescheiden zugrunde liegenden Zollanmeldungen abgelehnt wurde – die in den genannten drei Einfuhrabgabenbescheiden vom 16. Juni 2016 in Bezug genommenen Zollanmeldungen dahin zu ändern, dass die Klägerin diese jeweils als indirekte Vertreterin der Firma A abgegeben hat.
Die Einfuhrabgabenbescheide (Az.: … und …), jeweils vom 16. Juni 2016, und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2017 werden aufgehoben soweit damit Antidumpingzoll i.H.v. … EUR und Einfuhrumsatzsteuer i.H.v. … EUR festgesetzt wurden.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i. H. von 110 v. H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i. H. von 110 v. H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wehrt sich gegen die Nacherhebung von Antidumpingzoll.
Die Klägerin betreibt Speditionsgeschäfte jeglicher Art; sie ist Inhaberin einer Bewilligung des Zolllagerverfahrens Typ D. Insoweit wurde das Anschreibeverfahren mitbewilligt.
Für die A nahm die Klägerin in der Vergangenheit Rahmensetbestandteile (Fahrradrahmen und Vorderradgabeln) mit Ursprung in der Volksrepublik China in ihr Zolllager auf. Anschließend erfolgte in insgesamt 225 Fällen zwischen August 2014 und Dezember 2015 unter Verwendung des Anschreibeverfahrens die Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr aus dem Zolllager. In den Zollanmeldungen wurde die Klägerin jeweils als Anmelderin und die A als Empfängerin angegeben. Die Klägerin gab dabei stets an, im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu handeln, und legte ebenfalls stets eine, der A erteilte Bewilligung nach Art. 14 c) der Verordnung (EG) Nr. 88/97 der Kommission vom 20. Januar 1997 betreffend die Genehmigung der Befreiung der Einfuhren bestimmter Fahrradteile mit Ursprung in der Volksrepublik China von dem mit der Verordnung (EWG) Nr. 2474/93 eingeführten und mit der Verordnung (EG) Nr. 71/97 des Rates ausgeweiteten Antidumpingzoll (nachfolgend: VO (EG) Nr. 88/97) vor.
Diese Bewilligung zu Gunsten der A befreite zum freien Verkehr angemeldete wesentliche Fahrradteile von Antidumpingzöllen, wenn sie im Einklang mit der Taric-Struktur in Anhang III und vorbehaltlich der sinngemäß geltenden Bedingungen gemäß Art. 82 ZK und Art. 291 bis 304 ZK-DVO angemeldet wurden und monatlich weniger als 300 Stück eines bestimmten wesentlichen Fahrradteils von einer Partei zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet oder an sie geliefert wurden. Auf Seite 3 der Bewilligung (zu Gunsten der A) wurde in Feld 16 unter der Überschrift „Zusätzliche Aufgaben / Auflagen” folgendes aufgeführt: „[…]
- ▹ Bei der Bewilligung handelt ...