Entscheidungsstichwort (Thema)
Besitz der Ehefrau an von ihrem Ehemann unrechtmäßig eingeführten Zigaretten. Inanspruchnahme für Tabaksteuer bei ungeklärtem Gelangen der Zigaretten in das Inland
Leitsatz (redaktionell)
1. Entscheidend für die Erlangung des Besitzes an einer Sache ist die Frage, ob einerseits eine tatsächliche Herrschaft über die Sache begründet worden und andererseits diese Herrschaft vom Besitzwillen der betreffenden Person getragen ist.
2. Der Ehefrau kann kein Besitz an von ihrem Ehemann unrechtmäßig eingeführten Zigaretten zugerechnet werden, wenn sie ihrem Ehemann als dem eigentlichen Besitzer der Zigaretten ihren der Erlangung einer Sachherrschaft entgegen gerichteten Willen deutlich mitgeteilt und ihn mehrmals aufgefordert hat, die Zigaretten kurzfristig aus dem gemeinsam bewohnten Haus zu schaffen.
3. Lässt sich nicht aufklären, wie die im Streit befindlichen Zigaretten in das Inland gelangt sind, erfordert die Inanspruchnahme einer Person als Schuldner der Tabaksteuer, dass diese sowohl nach § 21 Abs. 2 TabStG (als an der unrechtmäßigen Einfuhr Beteiligter) als auch nach § 23 Abs. 1 S. 2 TabStG (als Besitzer) Steuerschuldner geworden ist. Soweit schon eine Steuerschuldnerschaft nach einer der genannten Vorschriften ausscheidet, kommt eine Inanspruchnahme nicht in Betracht.
Normenkette
ZK Art. 202 Abs. 3; EWGV 2913/92 Art. 202 Abs. 3; TabStG § 21 Abs. 2, § 23 Abs. 1 S. 2; AO § 44
Tenor
Der Einfuhrabgabenbescheid vom … in Gestalt des Änderungsbescheids vom … und die Einspruchsentscheidung vom … werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.
Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines gegenüber der Klägerin ergangenen Einfuhrabgabenbescheides.
Mit Steuerbescheid vom … nahm der Beklagte die Klägerin für Einfuhrabgaben in Höhe von insgesamt … EUR (… EUR Zoll-EU, … EUR Tabaksteuer, … EUR Einfuhrumsatzsteuer) in Anspruch. In dem Bescheid legte der Beklagte folgenden Sachverhalt zu Grunde:
„Im Verlauf der bei Herrn M. am … vorgenommenen Durchsuchung haben Beamte des Zollfahndungsamts H., Dienstsitz B. insgesamt 909.240 Stück Zigaretten aufgefunden und alsdann sichergestellt, weil deren Verpackungen ausnahmslos mit ukrainischen, russischen oder gar keinen Steuerbanderolen versehen gewesen sind und von ihm ein sich auf diese beziehender Verzollungsnachweis bislang nicht beigebracht wurde. Hiervon entfielen auf die Sicherstellungen auf dem Gelände der Firma M. in B, 16.240 Stück und auf die Sicherstellungen auf dem von ihm bewohnten Grundstück mit der Anschrift P.-Weg in D., weitere 893.000 Stück. Alsdann hat er im Verlauf der mit den Durchsuchungen verbundenen Vernehmung ausgesagt, dass er seit Oktober … auf dem Gelände der Firma M. bis dahin je Monat durchschnittlich 45 Stangen (zu je 200 Stück) unversteuerte Zigaretten verkauft hat, insoweit also zusätzliche 54.000 Stück, so dass er damit insgesamt zumindest 963.240 Stück unverzollte und unversteuerte Zigaretten empfangen hat und zwar – nach seinen eigenen Angaben in der Vernehmung – von drei männlichen Personen aus Polen zu einem Preis in Höhe von ausnahmslos 20,00 EUR je Stange (200 Stück).
Daneben folgt aus der Tatsache, dass auf dem Gelände der Firma M. in seinem PKW der Marke „Renault Twingo” 1.000 von den dortigen 16.420 Stück Zigaretten aufgefunden worden sind, die er nach seinen eigenen Angaben erst noch in einem der ihm von der Firma zur Verfügung gestellten Spinde unterbringen wollte, zwangsläufig, dass er die gesamten 963.240 Stück Zigaretten von den drei Personen auf dem von ihm bewohnten Grundstück in der Anschrift P.-Weg in Delmenhorst, in Empfang genommen hat, um sie erst von dort aus zum Weiterverkauf auf das Gelände der Firma M. zu verbringen. Hierbei befanden sich in der Gesamtmenge von 963.240 Stück im Übrigen 117.220 Stück der Marken „L & M blau und rot” sowie 9.200 Stück der Marke „Super Kings”.”
Da der Ort, an dem der Entstehungstatbestand tatsächlich eingetreten sei, nicht bestimmt werden könne, sei die Zollschuld am … auf dem Gelände der Firma M. und auf dem Grundstück mit der Anschrift P.-Weg in D. als den Orten entstanden, an denen die Ermittlungsbeamten im Verlauf der Durchsuchungen die unverzollten und unversteuerten Zigaretten vorgefunden und das zuvorige Vorhandensein der zusätzlichen 54.000 Stück Zigaretten ermittelt hätten.
Die Tabaksteuer sei in dem Zeitpunkt entstanden, in dem Herr M. Besitz an den unverzollten und unversteuerten Zigaretten erlangt habe.
Herr M. habe sich im Ergebnis mit der Inbesitznahme der Zigaretten an einer unrechtmäßigen Einfuhr ...