rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen. Steuerberaterprüfung 2001

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Prüfungsentscheidungen ist hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolle zwischen der Überprüfung von fachlichen Fragen einerseits und der Kontrolle prüfungsspezifischer Wertungen andererseits zu unterscheiden. Die umfassende gerichtliche Kontrolle beschränkt sich nur auf die fachlichen Fragen.

2. Soweit die Prüfer prüfungsspezifische Fragen beurteilen, steht ihnen ein Bewertungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt daraufhin überprüfbar ist, ob die Prüfungsbehörde Verfahrensfehler begangen hat, anzuwendendes Recht verkannt hat, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzt hat oder sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.

3. Prüfungsspezifischen Wertungen müssen im Gesamtkontext des Prüfungsverfahrens getroffen werden. Prüfungsnoten sind daher nicht isoliert zu sehen. Im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG erhält ein Prüfling das Recht, ein Überdenken der ursprünglichen Bewertungen unter maßgeblicher Beteiligung der ursprünglichen Prüfer zu erreichen. Führen die Einwände eines Prüflings gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen im verwaltungsinternen Kontrollverfahren nicht zum Erfolg und damit nicht zu einer Änderung des Prüfungsergebnisses, so hat das Gericht in dem betreffenden Klageverfahren nur noch eine (zusätzliche) Rechtmäßigkeitskontrolle der Prüfungsentscheidung vorzunehmen.

4. Ob und in welcher Weise bei Anwendung eines Punkteschemas Punkte jeweils zu vergeben und wie einzelne Prüfungsbestandteile zu gewichten sind, ist in weitgehendem Umfang der finanzgerichtlichen Kontrolle entzogen. Bei der Vergabe von Punkten verbleibt dem Prüfer ein weiter Beurteilungsspielraum. Eine von der Prüfungsbehörde erstellte Musterlösung und die in ihr für die einzelnen Lösungsschritte vorgeschlagenen Punkte sind keine für die Prüfer verbindlichen Vorgaben, die deren höchstpersönlichen Bewertungsspielraum einschränkten. Ob missverständliche, fragmentarische, unpräzise, mehr oder weniger falsche Antworten (noch) einen Punkt verdienen, ist der Kontrolle des Gerichts entzogen.

5. Es stellt keinen Verfahrensfehler dar, wenn der zweite und dritte Prüfer in Kenntnis der Bewertung durch den Erstprüfer ihre Beurteilung abgegeben haben. Denn ein Prüfling hat im verwaltungsinternen Überdenkungsverfahren keinen Anspruch auf sogenannte verdeckte Bewertungen. Vielmehr entspricht es allgemeinen Prüfungsgrundsätzen, wenn sich ein Zweitprüfer dem Beurteilungsvorschlag des Erstprüfers anschließt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Prüfer auch halbe Punkte vergeben.

 

Normenkette

DVStB § 29 Abs. 2; FGO § 102; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 1 9 Abs. 4

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Klägerin nahm im Wege der zweiten Wiederholungsprüfung an der Steuerberaterprüfung 2001 teil. Der Prüfungsausschuss bewertete die erste Aufsichtsarbeit (Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete) bei 38 beziehungsweise 40 vergebenen Punkten mit der Note 5,0, die zweite Aufsichtsarbeit (Ertragsteuern) bei 33,5 beziehungsweise 35 und 36 vergebenen Punkten mit der Note 5,0 und die dritte Aufsichtsarbeit (Buchführung und Bilanzwesen) mit der Note 4,5. Diese Note wurde ausweislich des Bewertungsbogens („Musterlösung”) bei 40 bis 49 Punkten vergeben. Nachdem die daraus errechnete Gesamtnote von 4,83 die in § 25 Abs. 2 Durchführungsverordnung zum Steuerberatungsgesetz (DVStB) vorgesehene Zahl 4,5 überstieg, teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 11.01.2002 mit, dass sie die Prüfung nicht bestanden habe. Im Rahmen des anschließenden Klageverfahrens hat der Beklagte das verwaltungsinterne Überdenkungsverfahren durchgeführt. Grundlage für dieses Verfahren bildeten die von der Klägerin zu den Gerichtsakten gereichten Gutachten der Prof. A… und Dr. B…, Fachhochschule L. …. Durch Schreiben vom 12.08.2002, auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, hat der Beklagte gemäß § 29 Abs. 2 DVStB der Klägerin mitgeteilt, dass die Prüfer sich nunmehr übereinstimmend hinsichtlich der ersten Aufsichtsarbeit (Verfahrensrecht und andere Steuerrechtsgebiete) auf die Note 4,5 geeinigt hätten. Hingegen sei es bei der Bewertung der anderen Prüfungsarbeit (Ertragsteuern) mit nunmehr zuerkannten 36,5 beziehungsweise 38 Punkten bei der Note 5,0 verblieben. Die hiernach zu bildende Gesamtnote von 4,66 übersteige nach wie vor die zulässige Note in Höhe von 4,5, so dass die Klägerin auch nach Überdenken der Prüfungsbewertung die Prüfung nicht bestanden habe.

Die Klägerin begründet ihre Klage unter Bezugnahme auf das Gutachten von Prof. Dr. B… wie folgt: Die Bewertung der zweiten Aufsichtsarbeit (Ertragsteuern) mit der Note 5,0 erweise sich als fehlerhaft. Die korrekte Note betrage 4,5. Im Einzelnen seien folgende Zusatzpunkte zu vergeben:

(1) Punkt 3

Die Bearbeitung erweise sich als zutreffend, da der Gewin...

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