rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Beiordnung eines ortsansässigen Unterbevollmächtigten für die Terminswahrnehmung nach Beiordnung eines „auswärtigen” Bevollmächtigten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird im Wege der Prozesskostenhilfe ein nicht im Gerichtsbezirk des Prozessgerichts niedergelassener „auswärtiger”) Rechtsanwalt beigeordnet, muss das Gericht – obwohl gesetzlich nicht vorgesehen – auf Antrag der Partei ihr auch einen Unterbevollmächtigten (also einen Verhandlungs- und/oder Beweisanwalt, Nr. 3401, 3402 VV-RVG-) beiordnen, wenn hierdurch die Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten erspart werden und die zusätzlichen Kosten des Unterbevollmächtigten die ersparten Reisekosten (Tage- und Abwesenheitsgeld sowie Fahrtkosten) nicht übersteigen (Anschluss an BGH, Beschluss v. 23.6.2004, XII ZB 61/04).

2. Insoweit entstehen der Staatskasse durch die zusätzliche Beiordnung eines Terminsvertreters keine Mehrkosten, wobei die Kosten der Unterbevollmächtigung nur erstattungsfähig sind, wenn sie nach einer anzustellenden Vergleichsrechnung die zu erwartenden (fiktiven) Reisekosten um nicht mehr als 10 % übersteigen (Anschluss an BGH-Rspr., z.B. BGH, Beschluss v. 16.10.2002, VIII ZB 30/02).

 

Normenkette

FGO § 142 Abs. 1; ZPO §§ 114, 121 Abs. 1-4; RVG § 13 Anlage 2 Nrn. 3401-3402; VV (RVG) Nrn. 3401-3402

 

Tenor

Dem Antragsteller wird der ortsansässige Rechtsanwalt D. zur Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung am … im Landgericht Y. zusätzlich beigeordnet.

 

Gründe

1. Der Berichterstatter konnte als Einzelrichter i. S. d. § 79a Abs. 3, 4 i.V.m. § 142 Abs. 6 Finanzgerichtsordnung (FGO) über den Antrag auf Erweiterung der bereits gewährten Prozesskostenhilfe (PKH) entscheiden, weil die Beteiligten übereinstimmend Ihr Einverständnis mit einer Einzelrichterentscheidung erklärt haben.

2. Dem Antrag auf zusätzliche Beiordnung eines Terminvertreters war stattzugeben, da mit daraus resultierenden gravierenden Mehrkosten zu Lasten der Staatskasse nicht zu rechnen ist.

a) Gem. § 142 Abs. 1 FGO gelten im finanzgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die PKH sinngemäß.

b) Wird – wie vorliegend mit dem Senatsbeschluss vom 24. Juni 2012 – ein nicht im Gerichtsbezirk des Prozessgerichts niedergelassener „auswärtiger”) Rechtsanwalt beigeordnet, muss nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) das Gericht – obwohl gesetzlich nicht vorgesehen – auf Antrag der Partei ihr auch einen Unterbevollmächtigten (also einen Verhandlungs- und/oder Beweisanwalt, Nr. 3401, 3402 VV RVG) beiordnen, wenn hierdurch die Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten erspart werden und die zusätzlichen Kosten des Unterbevollmächtigten die ersparten Reisekosten (Tage- und Abwesenheitsgeld sowie Fahrtkosten) nicht übersteigen (BGH, Beschluss vom 23. Juni 2004 XII ZB 61/04, BGHZ 159, 370-376 = NJW 2004, 2749-2751). Insoweit entstehen der Staatskasse durch die zusätzliche Beiordnung eines Terminsvertreters keine Mehrkosten, wobei die Kosten der Unterbevollmächtigung nur erstattungsfähig sind, wenn sie nach einer anzustellenden Vergleichsrechnung die zu erwartenden (fiktiven) Reisekosten um nicht mehr als 10% übersteigen (z.B. BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002 VIII ZB 30/02, Rn. 22, NJW 2003, 898-901).

c) Das Gericht hält diese BGH-Rechtsprechung für zutreffend und folgt dieser, weil diese dem Rechtsgedanken des § 121 Abs. 3 ZPO entspricht, wonach ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

Vorliegend ist nicht zu erwarten, dass die Kosten der Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 15. Dezember 2017 durch den ortsansässigen Unterbevollmächtigten die zu erwartenden (fiktiven) Reisekosten wesentlich, d. h. um mehr als 10%, übersteigen.

Nach der Vergleichsrechnung des Gerichts schlägt eine Terminsvertretung durch den beigeordneten ortsansässigen Rechtsanwalt mit 330,23 EUR zu Buche und ist damit mit ca. 6% nur unwesentlich teurer als eine (fiktive) Reisekostenerstattung an den Prozessbevollmächtigten mit 312,97 EUR. Das Gericht stützt sich dabei im Einzelnen auf folgende Berechnung (Angaben ohne Gesetzeszitat beziehen sich auf das Vergütungsverzeichnis –VV RVG–), wobei zu berücksichtigen ist, dass die zu veranschlagenden Reisekosten nicht sicher vorausgesehen werden können (vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. Oktober 2002 VIII ZB 30/02, Rn. 22, a.a.O.):

(fiktive) Reisekosten des Prozessbevollmächtigten

PKW-Fahrtkosten, Nr. 7003 (Entfernung Kanzleisitz Z. zum Landgericht Y., Quelle: „Google Maps”)

305 km

0,30 EUR

183,00 EUR

Parkgebühren (geschätzt)

10,00 EUR

Tage- und Abwesenheitsgeld mehr als 8 Stunden, Nr. 7005 Nr. 3

70,00 EUR

Zw.summe netto

263,00 EUR

19% Umsatzsteuer

49,97 EUR

Gesamt

312,97 EUR

Kosten des Terminvertreters, Gegenstandswert 1.505EUR (Gebühr 150EUR), Anl. 2 zu § 13 Abs. 1 S. 3 RVG

0,65 Verfahrensgebühr Unterbevollmächtigter, Nrn. 3401, 3100

97,50 EUR

1,2 Termins...

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