Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei jahrzehntelang verspäteter Abgabe der Steuererklärungen
Leitsatz (redaktionell)
Berücksichtigt das FA bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags gegenüber einem leistungsfähigen Steuerpflichtigen, dass keine einzige der Einkommensteuererklärungen der Jahre 1994 bis 2006 rechtzeitig abgegeben wurde und setzt darauf hin einen Verspätungszuschlag i. H. v. ca. 5 % der festgesetzten Einkommensteuer fest, um mit dem spürbaren Verspätungszuschlag die künftige rechtzeitige Erklärungsabgabe zu bewirken, erfolgt die Festsetzung dem Grunde und der Höhe nach zu Recht.
Normenkette
AO § 152 Abs. 2 S. 2, § 5; FGO § 102
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung von Verspätungszuschlägen zur Einkommensteuer 2005 und zur Einkommensteuer 2006.
Der Kläger war verpflichtet, die Einkommensteuererklärungen bis zum 31. Mai des jeweiligen Folgejahres abzugeben. Trotz mehrfacher Aufforderungen hatte der Kläger für die Streitjahre zunächst keine Steuererklärung eingereicht. Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) schätzte deshalb die Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 Abgabenordnung (AO) und erließ am 6. September 2007 darauf gestützte Einkommensteuerbescheide 2005 und 2006. Die Einkommensteuer 2005 und 2006 wurde auf jeweils 28.547 EUR festgesetzt. Der Kläger hatte jeweils eine Nachzahlung von mehr als 3.000 EUR zu leisten. Zugleich setzte das FA Verspätungszuschläge in Höhe von jeweils 1.250 EUR fest.
Gegen die Steuerfestsetzungen und die festgesetzten Verspätungszuschläge legte der Kläger jeweils Einspruch ein. Im Januar 2008 reichte der Kläger seine Einkommensteuererklärungen für 2005 und 2006 nach und trug im Übrigen zur Begründung seines Einspruchs vor, die Festsetzung eines Verspätungszuschlages und dessen Höhe sei für ihn unverständlich. Nachdem er an die Abgabe der Steuererklärung erinnert worden sei, habe er diese nach nur 4 Monaten abgegeben. Bei vielen Finanzämtern sei es ohne Angabe von Gründen üblich, die Frist bis September zu verlängern. Das FA änderte die angefochtenen Einkommensteuerbescheide mit Bescheiden vom 29. Februar 2008 und setzte die Einkommensteuer herab, und zwar für 2005 auf 23.996 EUR und für 2006 auf 25.884 EUR. Die Festsetzung der Verspätungszuschläge ließ das FA unverändert.
Auch gegen die erneute Festsetzung der Verspätungszuschläge legte der Kläger mit Schreiben vom 31. März 2008 Einspruch ein, welches er am Dienstag, dem 4. April 2008 in den Briefkasten des FA einwarf.
Das FA verwarf diesen zweiten Einspruch mit Einspruchsbescheid vom 12. November 2009 wegen Versäumung der Einspruchsfrist (Ablauf Montag, 3. April 2009 24.00 Uhr) als unzulässig.
Den (ersten) Einspruch gegen die mit Bescheiden vom 6. September 2007 festgesetzten Verspätungszuschläge wies das FA jeweils mit Einspruchsbescheid vom 12. November 2009 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das FA jeweils aus, es habe die Besteuerungsgrundlagen bei der Festsetzung der Einkommensteuer für 2005 und 2006 schätzen müssen, weil der Kläger zunächst keine Einkommensteuererklärung eingereicht habe. Es habe einen Verspätungszuschlag festgesetzt, weil der Kläger seine Einkommensteuererklärungen in den Vorjahren stets verspätet und für das Jahr 2004 gar nicht abgegeben habe. Zwar seien die Einkommensteuer 2005 und 2006 nach Abgabe der jeweiligen Einkommensteuererklärungen herabgesetzt worden. Dennoch seien die Verspätungszuschläge in unveränderter Höhe bestehen geblieben. Bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlages seien neben seinem Zweck, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärung anzuhalten, die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des sich ergebenden Zahlungsanspruchs, die gezogenen Vorteile sowie das Verschulden und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Der Zinsgewinn sei zwar geringer als der jeweilige Verspätungszuschlag, aber dieser könne seinen Zweck als Druckmittel nur erfüllen, wenn er für den Steuerpflichtigen eine spürbare wirtschaftliche Einbuße darstelle. Bei der Bemessung des „Übersteigungsbetrages” seien der Grad des Verschuldens sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angemessen zu berücksichtigen. Der Kläger habe die Einkommensteuererklärung nach Ablauf des Abgabetermins, und zwar für 2005 rund 20 Monate und für 2006 rund 7 Monate nach Fristablauf eingereicht. Auch die Steuererklärungen der vorangegangenen Jahre habe der Kläger nie fristgerecht abgegeben. Zum Teil habe er die Abgabefrist um mehr als 12 Monate überschritten. Für das Jahr 2004 habe er gar keine Einkommensteuererklärung abgegeben. Aufgrund der wiederholten verspäteten Abgabe der Erklärungen bzw. der Nichtabgabe sei die Festsetzung der Verspätungszuschläge gerechtfertigt. Die Erklärung für das Jahr 2005 sei erst nach Abschluss der regulären Veranlagungsarbeiten abgegeben worden. Der Verspätungszuschlag dürfte bis zu einer Höhe...