Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung eines Verspätungszuschlags bei verspäteter Abgabe der letzten Umsatzsteuererklärung einer durch Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters vollbeendeten Personengesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. § 152 AO dient dazu, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe der Steuererklärungen anzuhalten, um die rechtzeitige Festsetzung und Entrichtung der Steuern sicherzustellen, und bezweckt daneben einen Ausgleich der aus der verspäteten Abgabe der Steuererklärung gezogenen Vorteile sowie eine „gewisse Ahndung” der Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen. Der Verspätungszuschlag hat somit zugleich repressiven und in die Zukunft gerichteten präventiven Charakter.
2. Der Präventivzweck des Verspätungszuschlags hat zentrale Bedeutung für die Ausübung des Entschließungsermessens.
3. Die Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags bedürfen in Erstattungsfällen regelmäßig einer besonderen Prüfung und Begründung.
4. Da die nach § 18 Abs. 3 Satz 1 UStG und § 18 Abs. 3 Satz 2 UStG abzugebende Umsatzsteuererklärung bei Beendigung der gewerblichen Tätigkeit für den kürzeren Besteuerungszeitraum (§ 16 Abs. 3 UStG) an die Stelle der Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr tritt, ist für die Frage, ob eine Fristüberschreitung von mehr als 14 Monaten im Sinne des § 152 Abs. 2 AO vorliegt, auf das Kalenderjahr abzustellen.
5. Im Streitfall wurde die letzte Umsatzsteuererklärung einer zum 31.1.2019 durch Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters vollbeendeten Personengesellschaft, die zu einer Erstattung führte, im Dezember 2020 abgegeben. Das FG beurteilte die Festsetzung eines Verspätungszuschlags als ermessensfehlerhaft.
Normenkette
AO § 152 Abs. 1-2, 3 Nr. 2, § 5; UStG § 18 Abs. 2 S. 3, Abs. 3, § 16 Abs. 3; FGO § 102
Tenor
Der Bescheid für 2019 über den Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer vom 11. Februar 2021 und der Einspruchsbescheid vom 06. Mai 2021 werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 Finanzgerichtsordnung für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Streitig ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlages im Fall der verspäteten Abgabe der letzten Umsatzsteuererklärung einer beendeten Gesellschaft.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen den Gesellschaftern A. und B., die bis Ende Januar 2019 gemeinschaftlich ein Ingenieurbüro betrieben haben. Neben der gemeinsamen GbR waren beide Gesellschafter auch jeweils als Ingenieure einzelunternehmerisch selbständig tätig.
Zum 31. Januar 2019 ist der Gesellschafter A. aus der Gesellschaft ausgeschieden. Das Ingenieurbüro wurde seitdem durch den verbliebenen Gesellschafter B. als Einzelunternehmen unter seiner Steuer-Nr. weitergeführt und insbesondere die Umsatzsteuer-Voranmeldungen ordnungsgemäß abgegeben.
Am 01. April 2019 teilte die Bevollmächtigte der Klägerin dem Beklagten die Beendigung der Partnerschaft mit.
Die Umsatzsteuer(jahres)erklärung für den Zeitraum 01.01.2019 bis 31.01.2019 reichte die Klägerin gemeinsam mit der Erklärung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte für 2019 erst mit Verspätung am 17. Dezember 2020 ein. Die Erklärung umfasste die Angabe von unentgeltlichen Wertabgaben und der Summe der abzugsfähigen Vorsteuern. Sie führte zu einer Erstattung von Vorsteuern in Höhe von 68,46 EUR.
Der Beklagte folgte der Umsatzsteuererklärung und setzte mit Bescheid vom 11. Februar 2021 gegen die Klägerin einen Verspätungszuschlag zur Umsatzsteuer in Höhe von 250 EUR fest.
Auf den dagegen eingelegten Einspruch erhöhte der Beklagte nach Verböserungsmitteilung mit Einspruchsentscheidung vom 06. Mai 2021, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, den Verspätungszuschlag auf 550 EUR.
Dagegen hat die Klägerin am 04. Juni 2021 Klage erhoben.
Zur Begründung trägt sie vor,
seit dem Ausscheiden des Gesellschafters A. werde die Partnerschaftsgesellschaft unter Beibehaltung des Firmennamens durch den Gesellschafter B. als Einzelunternehmen fortgeführt. Als der Bevollmächtigten dieser Sachverhalt am 28.03.2019 bekannt geworden sei, habe sie dies dem Beklagten mit Schreiben vom 28.03.2019 formlos mitgeteilt und gebeten, den Grundkennbuchstaben U unter der bisherigen Steuernummer zu löschen. Beim Gesellschafter B. sei nichts weiter zu veranlassen gewesen war, da die Umsätze aus dem Unternehmen fortan unter seiner bisherigen Einzelunternehmens-Steuernummer laufend erklärt werden konnten.
Zwar sei auch ohne Aufforderung durch den Beklagten klar, dass gemäß §§ 18 Abs. 3 Satz 2 und 16 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) innerhalb eines Monats nach Beendigung der Unternehmerschaft eine Umsatzsteuerjahreserklä...