Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuererklärung auf Kopie des amtlichen Vordrucks. Einkommensteuer 1996
Leitsatz (amtlich)
Die Einreichung einer Einkommensteuererklärung auf einer Kopie der amtlichen Erklärungsvordrucke genügt den gesetzlichen Erfordernissen.
Normenkette
AO § 150
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung der ablehnenden Verfügung vom 30. März 1999 in Form der Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 1999 wird der Beklagte verpflichtet, den Kläger zur Einkommensteuer 1996 zu veranlagen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
3. Der Gerichtsbescheid ist, soweit er als Urteil wirkt, hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, der in Polen ansässig ist, übte im Streitjahr 1996 eine nichtselbständige Tätigkeit im Inland aus.
Am 4. Januar 1999 ging beim beklagten Finanzamt auf einer Kopie des amtlichen Erklärungsvordrucks die Einkommensteuererklärung des Klägers für 1996 ein. Diese hatte der Arbeitgeber des Klägers, Herr X., zusammen mit weiteren Einkommensteuererklärungen anderer polnischer Arbeitnehmer am 30. Dezember 1998 um 14.39 Uhr als Paket bei einer Filiale der Post in Frankfurt/Oder aufgegeben.
Mit Verfügung vom 30. März 1999 (Rbh., Bl. 17) lehnte der Beklagte die Veranlagung zur Einkommensteuer ab, da der Antrag nicht rechtzeitig zum 31. Dezember 1998 gestellt worden sei.
Hiergegen legte der Kläger am 30. April 1999 (Rbh., Bl. 16) Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 1999 als unbegründet zurückwies, nachdem die Deutsche Post AG mitgeteilt hatte, dass bei Einlieferung einer Paketsendung am 30. Dezember 1998 in Frankfurt/Oder mit einer Zustellung in Saarbrücken frühestens am 2. Januar 1999 zu rechnen gewesen sei.
Am 2. August 1999 erhob der Kläger Klage (Bl. 1).
Er beantragt (sinngemäß, Bl. 1),
unter Aufhebung der ablehnenden Verfügung vom 30. März 1999 in Form der Einspruchsentscheidung vom 1. Juli 1999 den Beklagten zu verpflichten, den Kläger zur Einkommensteuer 1996 zu veranlagen.
Der Kläger trägt vor, ihn bzw. seinen Bevollmächtigten treffe an der Fristversäumnis kein Verschulden, da seinem Vertreter, Herrn X., seitens der Deutschen Post zugesichert worden sei, die Paketsendung werde rechtzeitig vor Jahresende beim Beklagten eintreffen.
Der Beklagte beantragt (Bl. 19),
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Er macht geltend, dass der Kläger nicht auf die üblichen Postlaufzeiten für Briefsendungen habe vertrauen dürfen, da er die Beförderung per Paketpost gewählt habe.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Beklagte ist verpflichtet, den Kläger zur Einkommensteuer 1996 zu veranlagen.
1. Versäumung der Frist zur Antragstellung nach § 46 Abs. 2 Nr. 8 Einkommensteuergesetz – EStG –
§ 149 Abs. 2 AO regelt vorbehaltlich einer anderweitigen Bestimmung in einem Steuergesetz die Frist für die Abgabe einer Steuererklärung, zu der der Steuerpflichtige nach § 149 Abs. 1 AO verpflichtet ist. An einer solchen Verpflichtung fehlt es jedoch, wenn der Steuerpflichtige –wie im Streitfall– gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG eine Veranlagung ausschließlich im eigenen Interesse durchgeführt wissen will, wie im dort genannten Fall der Anrechnung von Lohnsteuer auf die Einkommensteuer. Die Veranlagung erfolgt hierbei nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag des Steuerpflichtigen. Dieser Antrag kann für Veranlagungszeiträume ab 1991 nicht mehr formlos gestellt werden, sondern nur in Form einer Einkommensteuererklärung (vgl. BFH-Urteil vom 14. März 1989 I R 77/85, BFH/NV 1991, 311).
Im Streitfall hat der Kläger die Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung versäumt, da seine Postsendung erst am 4. Januar 1999 beim beklagten Finanzamt eingegangen ist.
2. Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 Abgabenordnung – AO –)
Wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war (§ 110 Abs. 1 Satz 1), so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
2.1. Verschulden des Klägers an der Fristversäumnis?
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) dürfen Verzögerungen bei der Briefbeförderung oder – zustellung, die der Rechtsmittelführer nicht zu vertreten hat und auf die er auch keinen Einfluss besitzt, nicht als dessen Verschulden gewertet werden. In Fällen der Postlaufzeiten bei Inlandsbeförderung kann der Bürger darauf vertrauen, dass die von der Deutschen Post AG nach ihren organisatorischen und betrieblichen Vorkehrungen für den Normalfall festgelegten Postlaufzeiten auch eingehalten werden (vgl. BFH-Beschluss vom 6. April 1995 VIII B 61/94, BFH/NV 1996, 137, 138).
In der Verantwortung des Beteiligten liegt es n...