Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderung eines Einkommensteuerbescheids nach irrtümlicher Annahme eines Grundlagenbescheides; Rechtmäßigkeit eines Änderungsbescheides
Leitsatz (redaktionell)
1. Die gesonderte und einheitliche Feststellung von Betriebsausgaben einer Bürogemeinschaft ist bei einem als Rechtsanwalt tätigen Beteiligten Grundlagenbescheid allein für dessen gesondert festzustellenden Gewinn aus der Einzelkanzlei, nicht aber für den Einkommensteuerbescheid. Sendet das Tätigkeits-FA irrtümlich eine sogenannte das Ergebnis der gesonderten und einheitlichen Feststellung enthaltende ESt-4-B-Mitteilung an das Wohnsitz-FA, welches einen für den Einkommensteuerbescheid bindenden Grundlagenbescheid annimmt und damit den auf den Rechtsanwalt entfallenden Verlustanteil der Bürogemeinschaft doppelt berücksichtigt, ist der Einkommensteuerbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 zu ändern. Weder behördeninterne Mitteilungen noch Fehlvorstellungen der für den Erlass des Folgebescheids zuständigen Bediensteten sind geeignet, eine Bindungswirkung zu begründen, die objektiv nicht vorhanden ist.
2. Dahingestellt blieb, inwieweit das Wohnsitz-FA den Änderungsbescheid zur Korrektur der doppelt berücksichtigten Betriebsausgaben auch auf § 174 Abs. 2 AO 1977 statt auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 stützen konnte, denn maßgebend ist allein, ob die Änderung tatsächlich zu Recht erfolgt ist.
Normenkette
AO 1977 § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 174 Abs. 2, § 171 Abs. 10, § 180 Abs. 2, § 182 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Änderung der Bescheide über Einkommensteuer für die Jahre 1991 bis 1993.
Die Kläger sind mittlerweile geschiedene Eheleute und wurden in den Streitjahren beim Beklagten gemäß § 26 Abs. 1 Einkommensteuergesetz – EStG – zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Rechtsanwalt und betreibt eine Einzelkanzlei in X-Stadt, mit der er Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne von § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt. Die Einkünfte aus dieser Rechtsanwaltskanzlei werden vom Finanzamt X-Stadt unter Steuernummer 00/000/0000 gemäß § 180 Abs. 1 Nr.2 Buchst. a Abgabenordnung – AO – gesondert festgestellt. Darüber hinaus war er in den Streitjahren mit dem Rechtsanwalt Y an der Y und Z Bürogemeinschaft beteiligt, die ebenfalls beim Finanzamt X-Stadt, und zwar unter der Steuernummer 11/111/1111 erfasst war. Es handelte sich bei dieser Bürogemeinschaft um eine so genannte Kosten-Bürogemeinschaft, deren Gegenstand die Anmietung der Büroräume, die Anstellung des Personals und die Beschaffung der gemeinsam genutzten Büroeinrichtung und des Kanzleibedarfes war. Die durch das Finanzamt X-Stadt einheitlich und gesondert festzustellenden Besteuerungsgrundlagen der Bürogemeinschaft flossen in die Gewinnermittlungen der Einzelpraxen ein.
Aufgrund der jeweils eingereichten Einkommensteuererklärungen der Kläger hat der Beklagte am 23. Juli 1993 den Bescheid über Einkommensteuer für 1991, am 19. April 1994 den Bescheid über Einkommensteuer für 1992 und am 23. Januar 1995 den Bescheid über Einkommensteuer für 1993 erlassen, wobei er jeweils den Angaben der Kläger hinsichtlich der Einkünfte aus der selbständigen Arbeit des Klägers folgte.
Am 30. August 1995 ging beim Beklagten die Mitteilung vom 24. August 1995 über die gesonderte Gewinnfeststellung für 1993 hinsichtlich der Rechtsanwaltskanzlei des Klägers (Finanzamt X-Stadt, Steuernummer 00/000/0000) ein. Der festgestellte Gewinn entsprach dem vom Kläger erklärten.
Mit Datum vom 18. September 1995 übersandte das Finanzamt X-Stadt eine Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Y und Z Bürogemeinschaft (Steuernummer 11/111/1111), die einen Verlust aus selbständiger Arbeit in Höhe von xx DM auswies.
Diese Mitteilung, die – wie sich später herausstellte – irrtümlich dem Beklagten übersandt worden war, veranlasste diesen, den Einkommensteuerbescheid für 1993 nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO zu ändern. Infolge der Änderung ergab sich ein negativer Gesamtbetrag der Einkünfte, der zu einem Verlustrücktrag gemäß § 10d Abs. 1 Satz 2 EStG führte. Demgemäß hat der Beklagte am 7. Dezember 1997 einen Änderungsbescheid für 1993 und am 3. Januar 1996 einen Änderungsbescheid für 1991 sowie am 17. Januar 1996 einen Änderungsbescheid für 1992 erlassen. Diese geänderten Steuerbescheide wurden bestandskräftig. Die den Änderungen zugrundeliegenden Feststellungsbescheide des Finanzamts X-Stadt sind beide nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen.
Auch für das Jahr 1994 wurde dem Beklagte irrtümlich eine Mitteilung über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Y und Z Bürogemeinschaft vom Finanzamt X-Stadt zugesandt. Bei der Bearbeitung des Einspruchs gegen den hier nicht streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid stellte sich heraus, dass in den Streitjahren wegen der irrtümlich zugesandten Mitteilung, die zu den Änderungsbescheiden geführt hatte, die Betriebsausgaben der Rechtsanwaltskanzlei doppelt berücksichtigt worden waren...