Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtberücksichtigung einer erst im Klageverfahren gegen einen Schätzungsbescheid eingereichten Steuererklärung
Leitsatz (redaktionell)
1. Hat das FA im Einspruchsverfahren gegen einen Schätzungsbescheid wirksam eine Ausschlussfrist nach § 364b AO 1977 gesetzt, darf das Gericht die erst im Klageverfahren eingereichte Steuererklärung als verspätet zurückweisen, weil der Rechtsstreit ansonsten länger dauern würde als ohne Berücksichtigung der Steuererklärung und sich die Erledigung des Rechtsstreits somit verzögern würde (Anschluss an FG des Saarlandes, Urteil vom 21.2.1997 1 K 166/96, EFG 1997, 651).
2. Das gilt insbesondere dann, wenn die beim Finanzgericht eingereichte Bilanz einen Verlust, die bei der Bank für das Streitjahr vorgelegte Bilanz dagegen einen Gewinn ausweist und in diesem Zusammnehang die Steuerfahndung ermittelt.
Normenkette
FGO § 79b Abs. 3 S. 1 Nr. 1; AO 1977 § 364b; FGO § 76 Abs. 3 Sätze 1-2
Tatbestand
Die Klägerin betreibt seit 1995 ein Unternehmen, das die Vermittlung von Versicherungen und Kapitalanlagen zum Gegenstand hat.
Nachdem die Klägerin für das Streitjahr 1996 ihre Gewerbesteuererklärung nicht fristgerecht beim Beklagten eingereicht hatte, ermittelte dieser im Steuermessbescheid vom 29. September 1998 die Besteuerungsgrundlagen im Wege der Schätzung. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 16. Oktober 1998 Einspruch ein (Rbh, Bl. 2). Nachdem der Beklagte vergeblich an die Einreichung der Einspruchsbegründung erinnert hatte (Rbh, Bl. 4), setzte er mit Schreiben vom 3. Mai 1999 eine Frist gemäß § 364 b Abgabenordnung -AO- zur Begründung des Einspruchs bis spätestens 15. Juni 1999 (Rbh, Bl. 5). Auf die Folgen der Fristversäumnis wurde die Klägerin hingewiesen.
Nachdem die Klägerin hierauf nicht reagierte, erließ der Beklagte am 5. Juli 1999 eine Einspruchsentscheidung, in der der Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Am 6. August 1999 ging beim Finanzgericht der Schriftsatz der Klägerin vom 5. August 1999 ein, mit dem diese Klage erhob. Zeitgleich erfolgte die Einreichung der ausstehenden Steuererklärung.
Die Klägerin beantragt (sinngemäß, Bl. 2),
den Messbescheid zur Gewerbesteuer für 1996 vom 29. September 1998 in Form der Einspruchsentscheidung vom 5. Juli 1999 insoweit abzuändern, als die Angaben in der nachgereichten Gewerbesteuererklärung zugrunde zu legen sind.
Die Klägerin meint, der Beklagte müsse die Erklärungsangaben zu ihren Gunsten berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt (Bl. 11),
die Klage als unbegründet abzuweisen.
Er bezieht sich auf die Fristsetzung nach § 364 b AO sowie darauf, dass die von der Klägerin -verspätet- vorgelegte Steuererklärung nicht verwertet werden könne. Es bestünden erhebliche Bedenken, die Erklärungsangaben zu übernehmen. Der Beklagte verweist insoweit auf diverse Unstimmigkeiten, insbesondere den Umstand, dass die Klägerin bei einer kreditgebenden Bank eine Bilanz eingereicht habe, die statt eines Verlustes von 76.105 DM, wie er sich aus der im Steuerverfahren eingereichten Bilanz ergebe (Bl. 56), einen Gewinn von 63.965 DM ausweise. Diesbezüglich werde derzeit eine Steuerfahndungsprüfung durchgeführt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Akten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Eine Berücksichtigung der Erklärungsangaben kommt nicht mehr in Betracht.
1. Der Beklagte hat die Besteuerungsgrundlagen zu Recht gemäß § 162 Abgabenordnung – AO – geschätzt, da die Klägerin ihrer Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung nicht nachgekommen ist. Über die Zulässigkeit der Schätzung als solcher besteht auch kein Streit zwischen den Beteiligten. Die Schätzung genügt im Übrigen auch den Anforderungen der Rechtsprechung (Bundesfinanzhof – BFH –, Urteil vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BStBl. II 1986, 226).
2. Die von der Klägerin am 9. August 1999 nachgereichte Steuererklärung war nicht mehr zu berücksichtigen. Sie war nach §§ 76 Abs. 3, 79 b Abs. 3 Finanzgerichtsordnung – FGO – zurückzuweisen.
Gemäß § 76 Abs. 3 FGO kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364 b AO (wirksam) gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. Erforderlich ist zudem, dass die Voraussetzungen des § 79 b Abs. 3 FGO vorliegen, die Zulassung der Erklärungen oder Beweismittel die Erledigung des Rechtsstreits also verzögern würde (§ 79 b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO), der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt (§ 79 b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO) und es nicht mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln (§ 79 b Abs. 3 Satz 3 FGO).
Sämtliche Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
3. Der Beklagte hat wirksam eine Frist nach § 364 b AO gesetzt. Er hat insbesondere sein Ermessen bezüglich der Fristsetzung fehlerfrei ausgeübt, nachd...