Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsmissbräuchlichkeit eines durch den Gesellschafter einer GmbH und Still bzw. einer GmbH erzielten Auflösungsverlustes. Maßgebender Auflösungszeitpunkt einer GmbH (§§ 42 AO; 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2, 17 Abs. 4 EStG). Einkommensteuer 1991 (Auflösungsverlust einer GmbH und Still bzw. einer GmbH)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hält sowohl die unmittelbare Beteiligung als auch die Beteiligung als Stiller Teilhaber an einer Familien-GmbH dem objektiven Fremdvergleich unter keinen Umständen stand und kann das kurzfristige gesellschaftliche Engagement mangels Erkennbarkeit eines wirtschaftlich vernünftigen Zwecks nur zum Ziel gehabt haben, im Falle einer Beendigung der defizitär wirtschaftenden GmbH die verlustreiche Beteiligung der Eltern, bei denen sich ein Auflösungsverlust steuerlich nicht ausgewirkt hätte, zu eigenen gesellschaftlichen Verlusten umzuqualifizieren, um sie steuerlich wirksam werden zu lassen, ist die steuerliche Anerkennung der Beteiligungsverluste wegen Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten zu versagen.

2. Ist mit einer wesentlichen Änderung eines bereits feststehenden Auflösungsverlustes i. S. des § 17 Abs. 4 EStG nicht mehr zu rechnen, kann dieser auch schon vor dem Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation steuerrechtlich berücksichtigt werden. Letztmöglicher Zeitpunkt der Erfassung eines Auflösungsverlustes ist jedoch das Jahr der Löschung im Handelsregister; dem förmlichen Abschlusszeitpunkt der Abwicklung einer Kapitalgesellschaft. Sind jedoch Anhaltspunkte für ein bewusstes Hinauszögern des Liquidationsabschlusses ersichtlich, ist das Jahr des formellen Abschlusses der Liquidation nicht maßgebend.

 

Normenkette

AO 1977 § 42; EStG § 17 Abs. 4, § 15 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1-2, § 20 Abs. 1 Nr. 4; HGB § 230

 

Tenor

Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.

 

Tatbestand

Der am 15. Januar 1966 geborene Kläger ist der Stiefsohn seines vormaligen Prozessbevollmächtigten. Letzterer gründete zusammen mit der Mutter des Klägers, Frau MB, im Juni 1985 die F.-B. GmbH (Bl. 2 ff. Dok), die ihren Geschäftsbetrieb in F. auf einem vom Stiefvater des Klägers gemieteten Grundstück ausübte (Bl. 66, 85 FG). Das Grundstück unterlag nach Maßgabe der Akten 2 L 1/87 des Amtsgerichts S. ab Anfang 1987 der Zwangsverwaltung (Bl. 109 FG).

Durch notarielle Urkunde vom 13. Januar 1986 (Bl. 4 ff. Rb) veräußerte der Stiefvater des Klägers seinen Geschäftsanteil in Höhe von 20.000 DM für 16.000 DM an die GmbH. Von dem Geschäftsanteil seiner Mutter über 30.000 DM erwarb der Kläger durch weitere notarielle Urkunde vom 3. Oktober 1988 einen Teilgeschäftsanteil in Höhe von 10.000 DM (Anl. 1 nach Bl. 22 FG). Der auf diesen Betrag lautende Kaufpreis war bis zum 15. März 1989 zu entrichten. Ausweislich hierzu vom Kläger vorgelegter handschriftlicher Zahlungsquittungen, wurde die letzte Kaufpreisrate über 1.000 DM am 18. Mai 1989 entrichtet (Anl. 2 nach Bl. 22 FG).

Vor dem Erwerb seines Geschäftsanteiles an der GmbH hatte der Kläger in der Zeit vom 1. September 1987 bis 30. September 1988 als Bürogehilfe für die GmbH gearbeitet (Anl. 4 nach Bl. 22 FG). Seit dem 4. Oktober 1988 war er als vornehmlich auf Frühschichten (Bl. FG) eingesetzter Bergmann nichtselbständig tätig. Daneben arbeitete er weiterhin im Betrieb der GmbH mit, wobei er im wesentlichen Kfz-Wartungsarbeiten und – vorwiegend freitags und samstags – Verkaufsfahrten für Backwaren der Gesellschaft durchführte (Bl. 65 f. FG). Diese hatte bereits vor dem Beitritt des Klägers als Gesellschafter am 23. August und 30. September 1988 zwei Renault Trafic TB 23 zum Preise von 25.080 DM bzw. 24.939,99 DM erworben und die beiden Kaufpreise entrichtet (Bl. 115, 116 FG).

Nach dem Beitritt des Klägers zur Gesellschaft fand am 10. Oktober 1988 eine Gesellschafterversammlung statt, durch welche der als Geschäftsführer der GmbH tätige Stiefvater des Klägers ermächtigt wurde, mit dem Kläger einen Vertrag zur Aufnahme als „atypisch stiller Teilhaber” der Gesellschaft abzuschließen (Bl. 14 Rb). Im Anschluss daran schloss die GmbH mit dem Kläger am 20. Oktober 1988 zwei Vereinbarungen, die „mit Datum 31. Dezember 1988 als (endgültig) wirksam” gelten sollten (Bl. 15, 16 Rb). Nach der einen Vereinbarung schuldete die GmbH der Gesellschafterin MB einen Darlehensbetrag in Höhe von 15.000 DM, den der Kläger mit Freistellungswirkung für die Gesellschaft – gegebenenfalls mit 6 % Verzugszinsen – bis zum 31. Dezember 1988 an die Gesellschafterin zu entrichten hatte (Anl. 3a nach Bl. 22 FG).

Nach der anderen Vereinbarung übernahm der Kläger aus Darlehensverbindlichkeiten der GmbH gegenüber seinem Stiefvater – ebenfalls mit Freistellungswirkung für die Gesellschaft – einen Teilbetrag in Höhe von 35.000 DM. Die Übernahme geschah im Hinblick auf den künftigen Teilhabervertrag des Klägers mit der GmbH. Der übernommene Schuldbetrag wurde nach der Vereinbarung durch Teilaufrechnung in Höhe von 26.000 DM mit Schuldscheinforderungen des Kl...

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