Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschweigen der zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit eines Vereins führenden Tatsachen gegenüber dem Finanzamt als Erfüllung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung
Leitsatz (redaktionell)
- Der Anspruch auf Befreiung von der Grundsteuer kann auch durch Anfechtung des Einheitswertbescheides geltend gemacht werden, wenn die Entscheidung über grundsteuerrechtliche Fragen nicht ausdrücklich dem Steuermessbetragsverfahren vorbehalten worden ist.
- In dem vorsätzlichen Verschweigen gemeinnützigkeitsschädlicher Tatsachen liegt auch eine Steuerhinterziehung im Hinblick auf die der Einheitsbewertung nachfolgende Grundsteuerfestsetzung, so dass sich die Feststellungsfrist für den Einheitswert auf 10 Jahre verlängert.
- Einer islamischen Religionsgemeinschaft steht die Grundsteuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 und 2 GrStG nicht zu. Die Privilegierung der als jPöR verfassten Religionsgesellschaften und der jüdischen Kultusgemeinden ist nicht verfassungswidrig.
Normenkette
GrStG § 3 Abs. 1 Nr. 3b, Abs. 1 S. 1 Nr. 4 Sätze 1-2, § 19; AO § 63 Abs. 3, § 169 Abs. 2 S. 2, § 181 Abs. 1, § 184 Abs. 1, § 370 Abs. 1; FGO § 69; GG Art. 3 Abs. 1, 3 S. 1, Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 5
Streitjahr(e)
1994
Tatbestand
I. Der Antragsteller ist ein rechtsfähiger Verein, der den in Europa lebenden oder sich in Europa aufhaltenden Menschen islamischen Glaubens die Möglichkeit zu ihrer Religionsausübung gibt. Nach § 1 Abs. 4 seiner Satzung charakterisiert er sich selbst wir folgt:
„Bei dem Verband…handelt es sich um eine Religionsgemeinschaft, die im Rahmen des Art. 140 des Grundgesetzes i.V.m. den fortgeltenden Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung (WRV) vom 11. August 1919 gegründet worden ist. Dies wurde vom Innenministerium des Landes Nordrhein Westfalen mit Schreiben vom 12. August 1994 unter dem Aktenzeichen IV A 3 224 offiziell anerkannt.”
Nach § 5 Abs. 1 der Satzung dient der Verein ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken im Sinne der Abgabenordnung. Wegen der weiteren Einzelheiten der Satzung wird auf den in den Gerichtsakten abgehefteten Internetauszug Bezug genommen.
Der Antragsteller erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 30.3.1990 das bebaute Grundstück Gemarkung, Flur 10, Flurstück 100, Gebäude und Freifläche, Straße, mit einer Größe von 900 qm. Das Grundstück war zu diesem Zeitpunkt mit einem Vorder- und einem Hinterhaus bebaut. Die Wohn-/Nutzfläche ohne Kellerräume betrug ausweislich der Hauptfeststellung des Einheitswerts auf den 1.1.1964 insgesamt ca. 528 qm. Der Einheitswert wurde auf den 1.1.1964 mit 162.300 DM festgestellt.
Mit Einheitswertbescheid vom 28.1.1991, Zurechnungsfortschreibung auf den 1.1.1991, stellte der Antragsgegner den Einheitswert für das erworbene Grundstück gegenüber dem Antragsteller mit 162.300 DM fest. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Einspruch ein, verbunden mit dem Hinweis, er nutze das Erdgeschoss (ehemalige Gaststättenräume) im Rahmen seiner satzungsgemäßen Tätigkeit allein zu gemeinnützigen Zwecken. Der Antragsgegner half dem Einspruch ab und erließ am 22.6.1991 einen geänderten Bescheid, mit dem er den Einheitswert auf 108.400 DM neu feststellte. Die im Erdgeschoss genutzten Räume bezog er gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 b Grundsteuergesetz (GrStG) nicht in die Berechnung des Einheitswerts ein.
Am 19.9.1994 erließ der Antragsgegner einen Einheitswertbescheid, Wertfortschreibung auf den 1.1.1994, in dem er den Einheitswert mit 134.700 DM feststellte. Anlass für die Wertfortschreibung war der Wegfall der öffentlichen Förderung für die vorhandenen Wohnungen. Der Einheitswert wurde im Ertragswertverfahren auf Grund einer Jahresrohmiete in Höhe von 15.105 DM berechnet. Dabei legte der Antragsgegner eine Miete in Höhe von 2,10 DM/m² zugrunde. In die Berechnung der Wohnfläche bezog er die gesamte Fläche des Gebäudes in Höhe von 528 qm ein, ohne die als Gebetsraum genutzten Räumlichkeiten auszunehmen. Der Bescheid wurde nicht mit Rechtsmitteln angefochten.
In der Folgezeit riss der Antragsteller das Gebäude teilweise ab, baute um und an und richtete in dem neu gestalteten Gebäude neben den vorhandenen Wohnungen mehrere Gebetsräume ein. Laut der in den Einheitswertakten des Antragsgegners in Kopie abgehefteten Nutzflächenberechnung des zuständigen Architekten wurde der Keller um 79,55 qm, das Erdgeschoss um 68,86 qm und das Obergeschoss um 133,69 qm erweitert. Am 14.12.2001 teilte die zuständige Bauordnungsbehörde dem Antragsgegner die Fertigstellung der Baumaßnahmen mit. Am 16.2.2002 forderte der Antragsgegner den Antragsteller auf, eine Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1.1.2002 einzureichen. Die am 7.3.2002 eingegangene Erklärung enthält den Hinweis, dass die Baumaßnahmen 1992 begonnen und 2000 fertig gestellt worden seien. Auf Anfrage des Antragsgegners teilte das zuständige Finanzamt L am 20.3.2002 mit, der Antragsteller sei nach wie vor als gemeinnützig anerkannt. Der Antragsgegner erließ nach vorangegangener...