Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermäßigter Umsatzsteuersatz für Wirbelsäulenfixationssysteme: Bezugnahme auf die Unterposition 9021 90 KN in Anlage 2 Nr. 52 Buchst. d zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Der EuGH wird gemäß Artikel 267 Unterabsatz 2 AEUV um eine Vorabentscheidung zu folgender Frage ersucht: Ist die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23.07.1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1754 der Kommission vom 06.10.2015 dahin auszulegen, dass aus Schrauben, Rundstiften aus verschiedenen Materialien, Crosslink-Platten, farblich codierten Haken in vier verschiedenen Größen sowie lateralen Konnektoren zusammengestellte Wirbelsäulenfixationssysteme, die vor ihrer Verwendung patientenspezifisch zusammengestellt und dauerhaft in den menschlichen Körper implantiert werden, in die Unterposition 9021 90 90 einzureihen sind?
  2. Wenngleich Wirbelsäulenfixationssysteme als vollständige Systeme überwiegend zu anderen Zwecken als die in der DVO Nr. 1214/2014 in die Unterposition 9021 10 90 KN eingereihten Pangeaschrauben verwendet werden, wirft die Begründung dieser Einreihungsverordnung mit der Bezugnahme auf die Anmerkung 2 Buchstabe b zu Kapitel 90 KN die Frage auf, ob dies auch für Wirbelsäulenfixationssysteme der beschriebenen Art zu gelten hat.
 

Normenkette

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1; UStG Anlage 2 Nr. 52 Buchst. d zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2; KN UPos. 9021 10 90; KN UPos. 9021 90 90

 

Tatbestand

I.

1. Die Klägerin lieferte Wirbelsäulenfixationssysteme der Marke A an Krankenhäuser und niedergelassene Ärzte. Diese Systeme bestehen aus

a) Monoaxialschrauben aus Titan und Multiaxialschrauben aus Titan oder Kobalt-Chrom/Titan jeweils mit verschiedenen Durchmessern und Längen, farblich codiert, mit selbstschneidendem Gewinde, jeweils mit dazu gehörigen Verschlussschrauben aus Titan,

b) Rundstiften aus verschiedenen Materialien (Titanlegierung oder Kobalt-Chrom), vorgebogen oder gerade, mit einem Durchmesser von 4,75 mm, in verschiedenen Längen (zwischen 30 und 500 mm),

c)…Crosslink-Platten aus Titan in verschiedenen Längen (fest oder verstellbar) einschließlich einer Verschlussschraube,

d) farblich codierten Haken in vier verschiedenen Größen und Ausführungen, aus einer Titanlegierung sowie

e) lateralen Konnektoren aus einer Titanlegierung mit einem Durchmesser von 4,75 mm.

2. Die Wirbelsäulenfixationssysteme werden vor ihrer Verwendung patientenspezifisch zusammengestellt und dauerhaft in den menschlichen Körper implantiert. Sie dienen dazu, Patienten mit degenerativen Bandscheibenerkrankungen, Stenosen und Dislokationen der Wirbelsäule oder fehlgeschlagenen früheren Fusionen, Tumoren oder Skoliose zu behandeln. Die Systeme werden auch als Vorrichtungen zum Behandeln von Knochenbrüchen (Frakturen) verwendet.

3. Die Klägerin wendete auf die Besteuerung der Umsätze aus den Lieferungen der Wirbelsäulenfixationssysteme auf der Grundlage einer ihr erteilten unverbindlichen Zolltarifauskunft, mit der die Systeme in die Unterposition 9021 90 90 der Kombinierten Nomenklatur (KN) eingereiht worden waren, den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 des deutschen Umsatzsteuergesetzes (UStG) an. Im Anschluss an zwei Außenprüfungen vertrat das beklagte Finanzamt die Auffassung, dass die Systeme in die Unterposition 9021 10 90 KN einzureihen seien. Die Klägerin folgte dem und wendete auf die Besteuerung der Umsätze aus den Lieferungen der Wirbelsäulenfixationssysteme in ihrer für den Monat Mai 2016 dem beklagten Finanzamt übermittelten Voranmeldung den Regelsteuersatz an.

4. Die Klägerin hat gegen diese Voranmeldung Klage erhoben, mit der sie vorträgt: Die Wirbelsäulenfixationssysteme seien in die Unterposition 9021 90 90 KN einzureihen. Im Gegensatz zu Vorrichtungen zum Behandeln von Knochenbrüchen, die nur vorübergehend im menschlichen Körper verblieben, seien die Wirbelsäulenfixationssysteme dafür ausgelegt, langfristig im Körper des Patienten zu verbleiben. Die Warenbeschreibung der Unterposition 9021 90 90 KN sei zudem genauer, weil die Wirbelsäulenfixationssysteme nicht nur zum Behandeln von Knochenbrüchen verwendet würden. Das beklagte Finanzamt könne sich nicht mit Erfolg auf die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1214/2014 (DVO Nr. 1214/2014) der Kommission vom 11. November 2014 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierten Nomenklatur (ABl EU Nr. L 329/8) stützen. Die in der DVO Nr. 1214/2014 beschriebene Pangeaschraube sei nicht mit den Wirbelsäulenfixationssystemen zu vergleichen, weil diese nicht nur in der Traumachirurgie verwendet würden.

5. Das beklagte Finanzamt trägt im Klageverfahren vor: Die Wirbelsäulenfixationssysteme seien in die Unterposition 9021 10 90 KN einzureihen, weil die darin enthaltenen Multiaxialschrauben mit den in der DVO Nr. 1214/2014 beschriebenen Pangeaschrauben zu vergleichen seien. Die Schrauben seien nach der Anmerkung ...

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