Revision zugelassen durch das FG
Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankengeldleistungen an freiwillig gesetzlich Krankenversicherte unterfallen dem Progressionsvorbehalt
Leitsatz (redaktionell)
- Krankengeldleistungen an einen freiwillig in einer gesetzlichen Krankenkasse versicherten Selbständigen erfolgen auf der Grundlage des SGB V, ohne dass dadurch ein privatversicherungsähnliches Rechtsverhältnis begründet würde.
- Die gesetzlich angeordnete Einbeziehung des an einen freiwillig versicherten Selbstständigen geleisteten Krankengeldes in den Anwendungsbereich des Progressionsvorbehaltes verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
Normenkette
EStG § 32 b Abs. 1 Nr. 1 b, Abs. 3; SGB V §§ 9, 44 Abs. 1-2, § 47; GG Art. 3 Abs. 1
Streitjahr(e)
2002
Nachgehend
Tatbestand
Streitig, ist ob Krankengeldleistungen an ein freiwilliges Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse dem Progressionsvorbehalt unterliegen.
Die Klägerin wurde im Streitjahr 2002 mit ihrem am 7. Dezember 2002 verstorbenen Ehemann (Herr S.) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt.
Der Ehemann der Klägerin war als selbstständiger Schornsteinfeger tätig. Als Selbstständiger hatte er sich bei der Innungskrankenkasse (IKK) freiwillig krankenversichert. Anspruch auf Krankengeld bestand bei ihm von Beginn der dritten Woche der Arbeitsunfähigkeit. Hierfür entrichtete er einen aufgrund der IKK-Satzung vorgesehenen um 1 % erhöhten Beitragssatz. Auf die von der IKK auszugsweise übersandten Satzungsreglungen (Bl. 29 bis 33 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.
In der Zeit vom 6. März 2002 bis zum 7. Dezember 2002 bezog er Krankengeldleistungen von der IKK in Höhe von 24.570 €. Nach Mitteilung der Krankenkasse vom 20. Juli 2006 erfolgten diese Leistungen auf der Grundlage des § 47 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch (SGB V). Die Höhe belief sich, da Herr S. kein Arbeitnehmer war, auf 70 % des sog. Regelentgeltes, begrenzt durch die Beitragsbemessungsgrenze. Diese betrug im Jahre 2002 kalendertäglich 112,50 €. Das Krankengeld belief sich daher auf 78,75 € je Krankheitstag (70 % von 112,50 €).
Der Beklagte unterwarf die Krankengeldleistungen nach Abzug des Werbungskosten-Pauschbetrages gemäß § 32 b Abs. 1 Nr. 1 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) dem Progressionsvorbehalt. Die Einkommensteuer für 2002 wurde mit Bescheid vom 20. Oktober 2003 auf 9.455 € festgesetzt.
Die Klägerin legte am 18. November 2002 Einspruch ein. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass nur die gegenüber einem Arbeitnehmer, nicht jedoch gegenüber einem Selbstständigen erbrachten Leistungen dem Progressionsvorbehalt unterlägen. Das für den verstorbenen Ehemann gezahlte Krankengeld stelle keine Sozialleistung im Sinne der RVO dar. Der Anspruch bestehe vielmehr aufgrund eigener Beiträge. Die IKK sei in diesem Fall eine Privatkasse unter dem Dach der gesetzlichen Sozialversicherung.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 2. August 2004 als unbegründet zurück. Er wies darauf hin, dass § 32 b EStG auf den Ehemann der Klägerin wegen dessen unbeschränkter Steuerpflicht grundsätzlich anzuwenden sei. § 32 b EStG erstrecke den Progressionsvorbehalt sodann nicht nur auf Pflichtversicherte, sondern auf alle Steuerpflichtigen, die Krankengeld auf der Grundlage des SGB V bezogen hätten. Damit sei auch das an freiwillig gesetzlich Versicherte gezahlte Krankengeld in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen. Aufgrund der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. September 1996 (VI B 86/95, BFH/NV 1997, 22) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 3. Mai 1995 (1 BvR 1176/88, BStBl II 1995, 758) sei geklärt, dass die Anwendung des Progressionsvorbehaltes auf Krankengeldleistungen an freiwillig versicherte Selbstständige keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterlägen.
Die Klägerin hat am 6. September 2004 fristgerecht Klage erhoben. Unter Erneuerung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens vertritt sie die Auffassung, dass die ungleiche Behandlung der Krankengeldzahlungen an freiwillig Versicherte und Privatversicherte gleichheitswidrig sei. Sachgerechte Erwägungen für diese Ungleichbehandlung lägen nicht vor.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 2002 vom 20. Oktober 2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 2. August 2004 dahingehend abzuändern, dass bei der Steuerfestsetzung die im Jahr 2002 dem verstorbenen Ehemann zugeflossenen Krankengeldzahlungen nicht dem Progressionsvorbehalt des § 32 b EStG unterworfen werden.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Er erneuert seinen in der Einspruchsentscheidung dargelegten Rechtsstandpunkt und weist ergänzend darauf hin, dass die gegen die Entscheidung des BFH vom 9. September 1996 erhobene Verfassungsbeschwerde vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen worden sei (vgl. BVerfG-Beschluss vom 21. Dezember 1996, 2 BvR 2111/96).
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- u...