Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstand des Klagebegehrens: Hinreichende Bezeichnung durch Verweis auf Einspruchsentscheidung - Anforderungen an Antrag auf mündliche Verhandlung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Gegenstand des Klagebegehrens kann nicht durch den bloßen Hinweis auf die der Klageschrift beigefügte Einspruchsentscheidung bezeichnet werden (Anschluss an Urteil des Finanzgerichts Köln vom 27.10.2016 - 15 K 748/16, EFG 2017, 500).

2. War im Einspruchsverfahren die Versteuerung der aus der Rückabwicklung einer Baufinanzierung resultierenden Nutzungsentgelte, Vergleichszahlungen und anderweitigen Ausgleichszahlungen streitig, lässt sich der Gegenstand des Klagebegehrens bereits deshalb nicht hinreichend sicher ermitteln, weil unklar bleibt, in welchem Umfang das Einspruchsbegehren im Klageverfahren fortgeführt werden soll.

3. Wird nach Ergehen eines die Klage wegen nicht hinreichender Bezeichnung des Klagebegehrens als unzulässig abweisenden Gerichtsbescheids lediglich die ausstehende Klagebegründung eingereicht, kann dies bei fachkundig vertretenen Klägern nicht im Wege der rechtsschutzgewährenden Auslegung als Antrag auf mündliche Verhandlung angesehen werden.

 

Normenkette

FGO § 65 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 2, § 90a Abs. 2 S. 1

 

Streitjahr(e)

2015

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 23.11.2020; Aktenzeichen VIII B 174/19)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kläger gegen den Gerichtsbescheid vom 08.05.2019 rechtzeitig einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt haben.

Die Kläger sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.

Am 29.11.2018 erhoben sie, anwaltlich vertreten, Klage gegen den Bescheid für 2015 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, die im Zusammenhang mit der Einkommensteuerfestsetzung durchzuführen sind, vom 04.12.2017 sowie gegen die Einspruchsentscheidung vom 25.10.2018. Klageanträge und die Klagebegründung seien einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Der Klageschrift waren die zuvor benannten Bescheide beigefügt.

Mit Verfügung vom 18.02.2019 wurden die Kläger an die Einreichung der Klagebegründung unter Setzung einer Frist bis zum 22.03.2019 erinnert.

Sodann wurden die Kläger, nachdem kein Schriftsatz der Kläger eingegangen war, mit Schreiben vom 27.03.2019 mit Ausschlussfrist (§ 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-) bis zum 06.05.2019 aufgefordert, den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen. Die Aufforderung wurde den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 03.04.2019 zugestellt.

Nachdem erneut kein Schriftsatz der Kläger bei Gericht einging, wurde die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.05.2019 wegen nicht hinreichender Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens innerhalb der Ausschlussfrist als unzulässig abgewiesen. Der Gerichtsbescheid vom 08.05.2019 wurde den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 11.05.2019 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 13.05.2019 ging am gleichen Tag eine Klagebegründung der Kläger bei Gericht ein, auf die Bezug genommen wird.

Mit Schreiben vom 16.05.2019 wies der Berichterstatter die Prozessbevollmächtigten der Kläger auf den Gerichtsbescheid vom 08.05.2019 hin. Das Klagebegehren sei trotz entsprechender Ausschlussfrist nicht fristgerecht bezeichnet worden. Die Klage sei daher unheilbar unzulässig geworden. Aus diesem Grund werde der Schriftsatz vom 13.05.2019 nicht als Antrag auf mündliche Verhandlung angesehen.

Mit Schriftsatz vom 09.09.2019 teilten die Prozessbevollmächtigten der Kläger dem Gericht mit, ihr Schriftsatz vom 13.05.2019 sei entgegen den Ausführungen des Gerichts im Schreiben vom 16.05.2019 sehr wohl als Antrag auf mündliche Verhandlung auszulegen. In diesem Schriftsatz sei ein Klageantrag gestellt worden. Aus diesem gehe der Wille der Kläger hervor, auch nach dem Ergehen des Gerichtsbescheids an dem Verfahren festzuhalten. Dem Verfahren sei Fortgang zu geben und eine mündliche Verhandlung anzusetzen.

In der mündlichen Verhandlung überreichte der Prozessbevollmächtigte der Kläger einen Schriftsatz mit Datum vom 04.11.2019. Darin heißt es, den Klägern sei zu Unrecht eine Frist zur Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens gesetzt worden, da der Gegenstand des Klagebegehrens unter Heranziehung der Einspruchsentscheidung durch Auslegung habe ermittelt werden können. Einziger Streitpunkt im Einspruchsverfahren sei die Kapitalertragsteuer auf die Nutzungsentschädigung nach Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages gewesen.

Die Kläger beantragen,

festzustellen, dass das Verfahren nicht aufgrund des Gerichtsbescheides vom 08.05.2019 beendet worden ist;

  • . den Bescheid für 2015 über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, die im Zusammenhang mit der Einkommensteuerfestsetzung durchzuführen sind, vom 04.12.2018 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25.10.2018 dahin zu ändern, dass bei ihnen jeweils Kapitalerträge in Höhe von nur 261 € angesetzt werden.

Der B...

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