vorläufig nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Glaubhaftmachung der Verhandlungs- oder Reiseunfähigkeit des Prozessbevollmächtigten
Leitsatz (redaktionell)
- Einem Terminverlegungsantrag „in letzter Minute“, der auf die ärztlich attestierte akute Arbeitsunfähigkeit des Prozessbevollmächtigten aufgrund einer Covid-19 Infektion gestützt wird, kann mangels der Glaubhaftmachung erheblicher Gründe nicht stattgegeben werden, wenn sich weder aus dem Attest noch aus weiteren näher spezifizierten Ausführungen zu den Symptomen der Erkrankung eindeutig dessen Verhandlungs- oder Reiseunfähigkeit ergibt.
- Der bloße Hinweis auf eine Covid-19-Erkrankung kann nach dem Auslaufen der Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen zum 28.2.2023 und dem damit verbundenen Wegfall der Pflicht zur Isolation nach einer Infektion keine Terminverlegung mehr rechtfertigen.
- Der Geschäftsführer einer GmbH haftet ungeachtet der in der Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen liegenden schuldhaften Pflichtverletzung nicht für erst nach der Niederlegung seines Amtes zu diesen Voranmeldungen festgesetzte Verspätungszuschläge (vgl. BFH-Urteil vom 01.08.2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271).
Normenkette
ZPO § 227; FGO § 155; AO §§ 69, 34 Abs. 1, § 191 Abs. 1
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids.
Die Klägerin war vom Tag der Gründung der A (nachfolgend: A ) am ...2016 deren einzige Geschäftsführerin. Mit Schreiben vom 26.1.2018 (Eingang beim Handelsregister am 29.1.2018) reichte die Klägerin beim Handelsregister die Ablichtung ihrer Amtsniederlegung als Geschäftsführerin der A - aufschiebend bedingt mit Eingang der Anmeldung beim Handelsregister - ein. Die Eintragung, dass die Klägerin nicht mehr Geschäftsführerin ist, erfolgte am 30.1.2018. Unternehmensgegenstand der A waren der Handel mit IT-Komponenten und Ersatzteilen,….
Bis zum 14.11.2016 wurden von der A keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben. Eine Umsatzsteuernachschau ergab, dass sich die Firma nicht an der angegebenen Adresse befinde. Betriebliche Räumlichkeiten und ein operatives Geschäft seien nicht zu erkennen. Mit Schreiben vom 16.11.2016 versagte der Beklagte rückwirkend die Unternehmereigenschaft. Am 3.7.2017 übermittelte die A Umsatzsteuervoranmeldungen für…2016 bis Mai 2017 und bat um Anerkennung der unternehmerischen Tätigkeit ab ...2016.
Im Jahr 2017 fand bei der A eine Umsatzsteuersonderprüfung für…2016 bis Juli 2017 statt. Laut dem Prüfungsbricht vom 8.12.2017 habe die Buchführung bis Mai 2017 vorgelegen. Ab Juni 2017 sei noch keine Buchführung erstellt gewesen. Laut Prüfung wichen in den Monaten…2016 bis Mai 2017 die Umsätze und Vorsteuern in der Buchführung von den Beträgen laut Voranmeldungen ab (vgl. Tabelle unter Tz. 2.3 des Berichts). In den erklärten Vorsteuern seien Beträge aus Rechnungen der Firma des Ehemanns der Klägerin und der beiden Gesellschafter der A , der Firma B und der Firma C , enthalten, die nicht oder teilweise nicht gezahlt worden seien und auf Grund der damaligen finanziellen Situation der A auch nicht mehr hätten beglichen werden können. Der Vorsteuerabzug wurde insoweit versagt, da von einer Uneinbringlichkeit auszugehen sei (vgl. Tabelle unter Tz. 2.4 des Berichts). Laut Prüfungsfeststellungen ergab sich eine Umsatzsteuerfestsetzung für 2016 von…EUR, für Januar 2017 von ./.…EUR, für Februar 2017 von ./.…EUR, für März 2017 von ./.…EUR, für April 2017 von ./.…EUR und für Mai 2017 von ./.…EUR. Auf den weiteren Inhalt des Prüfungsberichts inklusive der Anlagen wird Bezug genommen.
Gegen den unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheid 2016 vom 13.3.2018 (festgesetzte und zu zahlende Steuer:…EUR, Fälligkeit 16.4.2018) legte die A Einspruch ein, ohne diesen zu begründen. Der Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 30.7.2018 (Bescheid weiterhin unter Vorbehalt der Nachprüfung) zurückgewiesen. Eine Klage wurde nicht erhoben.
Mangels Abgabe von Voranmeldungen für Juni bis Dezember 2017 wurden die Umsatzsteuervorauszahlungen für diese Monate mit Bescheiden vom 2.3.2018 und 8.3.2018 geschätzt (Fälligkeit 19.3.2018). Einsprüche wurden nicht eingelegt.
Am ...2018 beantragte die A die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dieser Antrag wurde durch das Amtsgericht Z-Stadt am 8.7.2019 mangels Masse abgewiesen (Az. 00 IN 00 /18). Am 28.1.2020 wurde die A wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.
Am 1.10.2018 richtete der Beklagte eine Mittelverwendungsanfrage inklusive Berechnungsbogen zur Ermittlung der Haftungssumme an die Klägerin zwecks Prüfung der Inanspruchnahme als Haftungsschuldnerin. Nachdem trotz mehrerer Fristverlängerungen keine Antwort eingegangen war, nahm der Beklagte die Klägerin mit Haftungsbescheid vom 30.1.2019 nach §§ 191, 34, 69 der Abgabenordnung (AO) in Höhe von…EUR (nicht gezahlte Umsatzsteuer für 2016:…EUR zzgl. Säumniszuschläge von…EUR und für Dezember 2017:…EUR zzgl. Säumniszuschläge von…EUR sowie Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer ...