Entscheidungsstichwort (Thema)
Geschäftsführerhaftung für Abzugssteuern nach § 50a EStG: Verjährung des Haftungsanspruchs – Ablaufhemmung bei Festsetzung der Haftungsschuld gegenüber der Vergütungsgläubigerin
Leitsatz (redaktionell)
- Der Geschäftsführer einer für die Einbehaltung und Abführung der Abzugssteuern beschränkt steuerpflichtiger Künstler haftenden GmbH haftet seinerseits nach § 69 AO für die Haftungsschuld der GmbH.
- Ab dem Zeitpunkt der Festsetzung der Haftungsschuld gegenüber der GmbH als Vergütungsgläubigerin wird der Ablauf der Festsetzungsfrist für den Haftungsbescheid gegenüber dem Geschäftsführer in sinngemäßer Anwendung des § 171 Abs. 10 AO für zwei Jahre gehemmt.
Normenkette
AO § 34 Abs. 1, §§ 69, 169 Abs. 2 S. 2, § 171 Abs. 10, § 191 Abs. 3 S. 4, § 378; EStG § 50 a Abs. 5; EStDV §§ 73 e, 73 g
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich mit der am 12.2.2021 erhobenen Klage gegen den Haftungsbescheid vom 27.12.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.1.2021.
Die Klägerin wird für Steuerschulden der G. GmbH (im folgenden: G. GmbH) für die Jahre 2004 bis 2008 in Höhe der zuletzt durch die Einspruchsentscheidung festgesetzten Haftungssumme von 29.473,41 Euro in Anspruch genommen. Die Haftungssumme in dem ursprünglichen Haftungsbescheid lautete auf 384.063,00 Euro. Die Haftung der Klägerin betrifft Haftungsschulden der G. GmbH gem. § 50 a EStG. Die Inanspruchnahme der Klägerin wird auf § 69 und § 71 der Abgabenordnung (AO) gestützt.
Die Klägerin und ihr Ehemann waren Gesellschafter zu ca. 51 % und zu ca. 49 % der 1989 gegründeten G. GmbH. Die Klägerin war deren Geschäftsführerin. Die zuletzt in F. ansässige G. GmbH vertrat bis Dezember 2014 internationale Musiker und Ensembles und organisierte innerhalb Europas Konzerte, Festivals und Veranstaltungen, wobei überwiegend ...Bands in Deutschland vermarktet wurden. Die ganz überwiegend nicht im Inland ansässigen Künstler wurden von der in den Niederlanden ansässigen T. B. V. (im folgenden: T. BV) angeworben, deren alleiniger Gesellschafter der Ehemann der Klägerin war.
Die G. GmbH wurde insolvent. Zum Zeitpunkt der Insolvenzeinleitung im Dezember 2014 war sie nicht mehr operativ tätig. Ausgangspunkt war ein Insolvenzantrag des Beklagten vom 24.09.2014 aufgrund Zahlungsunfähigkeit der G. GmbH bei bestehenden Steuerschulden. Am 18.10.2015 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der G. GmbH durch das Amtsgericht Z. (Az. N01) eröffnet.
Die G. GmbH hatte zwischen angestellten und freien Künstlern differenziert. Über die als „angestellt“ angesehenen Künstler wurden in den Steueranmeldungen für die Streitjahre keine Angaben gemacht und kein Steuerabzug (§ 50 a EStG) vorgenommen. Die streitigen Haftungsbeträge beruhen auf dem Ergebnis einer Betriebsprüfung für die Jahre 2004 bis 2008 (Prüfungsbericht vom 30.7.2010). Während der Prüfung hatte die Klägerin erklärt, die „angestellten“ Künstler seien bei der T. BV als Arbeitnehmer behandelt worden und deshalb habe sie keinen Steuerabzug im Inland vorgenommen. Demgegenüber vertrat das Finanzamt die Auffassung, es müsse jeweils eine Freistellungsbescheinigung vorliegen, um auf den Steuerabzug verzichten zu dürfen. Die Klägerin (für die G. GmbH) stützte sich ihrerseits darauf, dass in 2001 eine Verständigung anlässlich einer Lohnsteueraußenprüfung mit dem seinerzeit (bis 2003) zuständigen Finanzamt B. getroffen worden sei. Damals sei festgehalten worden, dass Anmeldungen zum Steuerabzug nach § 50 a EStG für die von der T. BV vermittelten Künstler nicht abzugeben seien, soweit ein Anstellungsverhältnis mit der T. BV bestanden habe. Auf die Erklärung gegenüber dem Finanzamt und auf die Beantragung von Freistellungsbescheinigungen beim Bundesamt für Finanzen (später ab 1.1.2006 Bundeszentralamt für Steuern (BZSt)) für die entsprechenden Künstler habe man daher verzichten dürfen. Nach einem Aktenvermerk vom 12.6.2001 zur „Schlussbesprechung“ am 11.6.2001 waren unter Hinweis auf eine Besprechung am 17.5.2001 für die benannten Künstlergruppen keine Steueranmeldungen mehr abzugeben und weitere Freistellungsanträge entbehrlich.
Zugleich hatten die Klägerin und ihr Ehemann für die T. BV im Rahmen einer dortigen Buchprüfung bestritten, dass die Künstler Arbeitnehmer der T. BV gewesen seien. Niederländische Lohnsteuer wurde deshalb nicht abgeführt (Mitteilung der niederländischen Finanzverwaltung an das Bundesamt für Finanzen vom 10.8.2004). Auch für spätere Veranlagungszeiträume wurden keine Unterlagen über eine in den Niederlanden vorgenommene (Lohn-) Besteuerung vorgelegt.
Am 17.12.2010 erließ der Beklagte der Betriebsprüfung folgend gemäß § 50 a Absatz 5 EStG i. V. m. § 73 g EStDV einen Haftungsbescheid gegenüber der G. GmbH wegen bislang nicht oder zu gering angemeldeter Steuern für die Zeiträume l-IV/2004 bis l-IV/2008 i. H. v. insgesamt 384.063 Euro. Dagegen legte die GmbH Einspruch ein. Das Einspruchsverfahren ruhte sodann im Hinblick auf die Ei...