Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung eines Art- und Zurechnungsfortschreibungsbescheids nach § 173 Abs.1 Nr. 2 AO – Anfechtung des Grundstückskaufvertrags wegen arglistiger Täuschung
Leitsatz (redaktionell)
- Ein Art- und Zurechnungsfortschreibungsbescheid ist nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aufzuheben, wenn die Eigentümerstellung der Erwerber einer Eigentumswohnung durch erfolgreiche Anfechtung des Kaufvertrags und der Auflassung wegen arglistiger Täuschung rückwirkend entfallen ist und dies dem Finanzamt erst nach Erlass des Einheitswertbescheides bekannt geworden ist.
- Die Steuerpflichtigen verhalten sich nicht grob schuldhaft i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, wenn sie das Finanzamt erst nach der zivilgerichtlichen Klärung der Rechtslage über die Anfechtung informiert haben.
- Für die Zurechnung der Eigentumswohnung aufgrund wirtschaftlichen Eigentums reicht das zivilrechtliche Zurückbehaltungsrecht der Steuerpflichtigen gegenüber dem Anspruch des Veräußerers auf Berichtigung des Grundbuches nach § 894 BGB nicht aus.
Normenkette
BewG § 19 Abs. 3 Nr. 2; BGB §§ 123, 142 Abs. 1, § 273 Abs. 1, §§ 873, 894, 925; AO § 39 Abs. 2 Nr. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob den Klägern das Grundstück A, Wohnungseigentum laut Aufteilungsplan Nr. 18, zuzurechnen ist. Die Kläger haben das Grundstück und ein weiteres Grundstück (B) mit Notarvertrag vom ...11.2008 erworben. Sie sind am ...09.2009 als Eigentümer zu je ein halb Anteil im Grundbuch eingetragen worden.
Daraufhin erließ der Beklagte unter dem 26.03.2010 einen Art- und Zurechnungsfortschreibungsbescheid. Das Grundstück (Einfamilienhaus im Wohnungs-/Teileigentum) war nunmehr kein Betriebsgrundstück. Der Einheitswert wurde in diesem Bescheid den Klägern zu je ein halb Anteil zugerechnet. Gegen den Bescheid wurde kein Einspruch eingelegt.
Mit Schreiben vom 19.11.2012 beantragten die Kläger beim Beklagten, den Einheitswertbescheid aufzuheben. Der Grundstückskaufvertrag sei Anfang 2009 wegen arglistiger Täuschung angefochten worden. Die beiden rechtskräftigen Urteile des Landgerichts C vom 04.07.2011 () und des Amtsgerichts D vom 15.08.2012 () würden belegen, dass die Verträge rückabgewickelt werden müssten. Sie, die Antragsteller, seien rechtlich nie Eigentümer geworden, der Grundbucheintrag sei unrichtig.
Mit Bescheid vom 21.11.2012 lehnte das Finanzamt den Antrag ab. Die Zurechnung eines Einheitswertes (mit der Bedeutung der Feststellung des Schuldners der Grundsteuer) erfolge auf denjenigen, dem die wirtschaftliche Einheit (hier Eigentumswohnung) zuzurechnen sei (§ 19 Abs. 3 Nr. 2 Bewertungsgesetz –BewG- und § 33 Abs. 2 BewG).
Da die Antragsteller lediglich einen Geldersatzanspruch hätten, aber weiterhin im Grundbuch eingetragen seien und diese Eigentümerstellung erst aufgeben würden, wenn die Zahlung des Betrages aus dem Versäumnisurteil erfolge, die Antragsteller zudem mit dem Wohnungseigentum weiterhin nach ihren Interessen verfahren könnten (z.B. Vermietung oder Verkauf), läge das wirtschaftliche Eigentum immer noch bei ihnen.
Die Frage der steuerlichen Zurechnung richte sich nach § 39 Abgabenordnung (AO). Hier werde bestimmt, dass demjenigen, der den steuerlichen Sachverhalt wirtschaftlich verwirklicht habe, auch der steuerliche Sachverhalt zugerechnet werde. Dies gelte auch für den Fall der Anfechtung nach § 123 Bürgerliches Gesetzbuch –BGB-. Dies habe auch der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 12.10.2006, IIR 26/05 verdeutlicht. Wer die tatsächliche Herrschaft über das Grundstück (die Wohnung) ausübe (Mieteinnahmen) und die Gefahr des zufälligen Untergangs trage, der sei auch wirtschaftlicher Eigentümer.
Daraufhin baten die Antragsteller mit Schreiben vom 05.12.2012 den Beklagten, seine Entscheidung abzuändern.
Die Ablehnung stehe im Widerspruch zu der Entscheidung des Finanzamts E vom 21.11.2012. Die Antragsteller bezögen weder die Mieten aus der Wohnung, noch hätten sie die tatsächliche Herrschaft über die Wohnung.
Mit Einspruchsentscheidung vom 03.04.2013 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Einspruchsführer seien jedenfalls wirtschaftliche Eigentümer. Sie könnten die tatsächliche wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Wohnung solange ausüben und den bürgerlichrechtlichen Eigentümer, die F GmbH von der Einwirkung ausschließen, bis dieser Veräußerer ihnen den Kaufpreis zurückerstattet und sie die Umschreibung im Grundbuch veranlassten. An die Entscheidung anderer Finanzämter sei man nicht gebunden.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig erhobene Klage.
Die Kläger hätten den Notarvertrag vom ...11.2008, der auch das Grundstück A, Wohnungseigentum Nr. 18 betraf, wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten.
Die gegen die damalige Verkäuferin, die F GmbH, erhobene Klage habe das Landgericht C durch Versäumnisurteil vom 04.07.2011 in dem Verfahren () so entschieden, dass die Kläger den Kaufpreis und andere damit zusammenhängende Kosten zurückerhielten. Es sei, wie im Zivilprozess üblich, eine Zug-um-Zug-Verurteilung erfolgt.
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