Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Berechnung des Grenzbetrags der Einkünfte – Ausklammerung der Monate der Vollzeiterwerbstätigkeit (Kürzungsmonate)
Leitsatz (redaktionell)
- Monate der Vollzeiterwerbstätigkeit eines volljährige Kindes in der Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten sind bei der Berechnung des Grenzbetrags der Einkünfte als ,Kürzungsmonate auszuklammern, wenn die in diesen Monaten erzielten Einkünfte bei einem Einbezug zu einem Überschreiten des Jahresgrenzbetrags führen würden (Meistbegünstigungsprinzip).
- Wird eine derartige Tätigkeit nach dem 1. juristischen Staatsexamen gegen die übliche Vergütung in einer Anwaltskanzlei ausgeübt, handelt es sich nicht um einen Teil der Berufsausbildung, weil der Ausbildungscharakter nicht im Vordergrund steht.
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a; EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c, S. 2, § 63 Abs. 1 S. 2
Streitjahr(e)
2008
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger erhielt von dem Beklagten zunächst fortlaufend Kindergeld für seine 1984 geborene Tochter, dem zweitältesten von insgesamt fünf Kindern des Klägers. Mit Ausnahme des ältesten Kindes wurden für Zwecke des Kindergelds im Jahre 2008 alle Kinder des Klägers berücksichtigt.
Die Tochter, die Rechtswissenschaften studierte, beendete ihr Studium am 16.4.2008 mit dem 1. Staatsexamen. Während dieses Studiums erzielte sie im Jahre 2008 aus einer Nebentätigkeit gewerbliche Einkünfte.
Im Rahmen der Erklärung zu den Einkünften und Bezügen der Tochter für das Kalenderjahr 2007 bzw. der Prognose für das Jahr 2008 führte der Kläger gegenüber dem Beklagten im Juli 2008 unter anderem aus, dass die Tochter nach Abschluss des Studiums zwar die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst beantragt habe, sie im Hinblick auf die Wartezeit von einigen Monaten jedoch ab Juni 2008 eine vorübergehende Erwerbstätigkeit aufgenommen habe. Voraussichtlich werde der Grenzbetrag aus diesem Grunde überschritten.
Daraufhin hob der Beklagte mit Bescheid vom 23.7.2008 die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2008 unter Hinweis auf § 70 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes – EStG – auf und forderte das bereits für die Monate bis August 2008 gezahlte Kindergeld von dem Kläger zurück. Zur Begründung führte er aus, dass die zu berücksichtigenden Einkünfte voraussichtlich den Grenzbetrag überschreiten würden. Weil nicht festgestellt werden könne, ob die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt seien, sei die bestehende Kindergeld-Festsetzung aufzuheben.
Gegen den Bescheid vom 23.7.2008 legte der Kläger am 25.8.2008 Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass derzeit nicht feststehe, ob der Grenzbetrag überschritten werde. Die Aufhebung sei daher unangemessen. Auch habe die Unterhaltsverpflichtung erst in dem Moment geendet, in dem seine Tochter in der Übergangszeit bis zum Beginn des Referendariats die Tätigkeit in der Anwaltskanzlei aufgenommen habe. Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 12.3.2009). Der Beklagte verwies darauf, dass eine Berücksichtigungsfähigkeit dem Grunde nach für das gesamte Kalenderjahr 2008 bestehe, wenn auch aufgrund unterschiedlicher Berücksichtigungstatbestände (Berufsausbildung bzw. ernsthaftes Bemühen um einen Ausbildungsplatz). Dem im Kindergeldrecht geltenden Jahres-Prinzip folgend sei daher auf die Einkünfte und Bezüge des gesamten Kalenderjahres abzustellen, was zu einem Überschreiten des Jahresgrenzbetrags führe.
Gegen die Aufhebung und Rückforderung des Kindergelds wendet sich der Kläger mit seiner Klage und führt ergänzend aus, dass seine Tochter die Tätigkeit bei der Anwaltskanzlei, die nicht als Ausbildungszeit zu werten sei, nur aufgenommen habe, um die lange Wartezeit zu überbrücken und praktische Erfahrungen zu sammeln.
Der Kläger beantragt,
den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 23.7.2008 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 12.3.2009 mit der Maßgabe abzuändern, dass es bei der Kindergeldgewährung für die Monate Januar bis einschließlich Mai 2008 und für Dezember 2008 verbleibt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen; hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er ist nunmehr der Ansicht, dass sich die Tochter durchgängig in Ausbildung befunden habe. Auch die Tätigkeit in der Anwaltskanzlei sei als Berufsausbildung anzusehen. Während dieser Zeit habe die Tochter praktische Erfahrungen sammeln wollen. Die aufgenommene Tätigkeit sei daher für die weitere Ausbildung förderlich gewesen, weil dadurch Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt wurden, die für die weitere Ausbildung als Volljuristin von Bedeutung gewesen seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Kindergeldakte und die Schriftsätze der Beteiligten im Klageverfahren Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar bis Mai 2008 un...