rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer 1993
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
beschlossen:
Der Streitwert wird auf 1.694,– DM festgesetzt.
Tatbestand
Streitig ist die Änderung eines Einkommensteuerbescheides wegen Eintritts eines rückwirkenden Ereignisses i.S.v. § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung -AO-.
Der im Streitjahr alleinstehende Kläger erzielt als Dipl.-Kaufmann Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.
Der Kläger war bei Geburt des Kindes K1 am 5. August 1989 mit dessen Mutter verheiratet. Die Ehe wurde am 29. Juni 1993 geschieden. Auf die Ehelichkeitsanfechtungsklage des Kindes hin stellte das Amtsgericht XY nach Einholung eines Blutgruppengutachtens mit Urteil vom 28. Juli 1994 fest, daß das Kind nicht von dem Kläger abstamme.
Der Beklagte hatte bei den Einkommensteuerveranlagungen des Klägers bis zum Streitjahr (Bescheid vom 8. April 1994) jährlich antragsgemäß den gesamten Kinderfreibetrag berücksichtigt. Mit auf § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO gestütztem Änderungsbescheid vom 01. Juni 1995 machte er für das Streitjahr die Gewährung des Freibetrages rückgängig; die gerichtliche Feststellung der Nichtehelichkeit des Kindes entfalte Rückwirkung.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren macht der Kläger mit der Klage folgendes geltend: Der Änderungsbescheid sei rechtswidrig. Das Urteil entfalte keine steuerliche Wirkung für die Vergangenheit; es sei nämlich ein Feststellungs-, nicht aber ein Gestaltungsurteil. Hilfsweise seien die von ihm in den Jahren 1989 bis 1993 geleisteten Unterhaltszahlungen von rd. 32.000 DM (47.000 DM abzügl. eines Vergleichbetrages von 15.000 DM) als außergewöhnliche Belastung i.S.v. § 33 a des Einkommensteuergesetzes -EStG- anzuerkennen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Änderungsbescheid ersatzlos aufzuheben,
hilfsweise, die geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an der Einspruchsentscheidung fest. Das steuerlich maßgebliche Kindschaftsverhältnis sei mit dem Urteil rückwirkend entfallen. Eine Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen scheitere daran, daß die Kindesmutter weiterhin einen Anspruch auf einen Kinderfreibetrag habe.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig.
Gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit ein Ereignis eintritt, das steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. Ob einem Ereignis diese Wirkung zukommt, kann nicht der abgabenrechtlichen Vorschrift, sondern nur den besonderen Steuergesetzen entnommen werden (Tipke/Kruse, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 175 AO Tz. 28).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
Das hier einschlägige besondere Steuergesetz, § 32 Abs. 6 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 EStG, setzt für die Gewährung des Kinderfreibetrages eine Verwandtschaft ersten Grades, mithin eine Abstammung (§ 1589 des Bürgerlichen Gesetzbuches) voraus. Diese ist vorliegend zivilrechtlich und steuerlich rückwirkend entfallen.
Das Urteil, das der Ehelichkeitsanfechtungsklage stattgibt und feststellt, daß das Kind nicht das eheliche Kind des Ehemannes der Mutter ist, wirkt rechtsgestaltend auf die Geburt des Kindes zurück (Münchener Kommentar, BGB, 3. Aufl., § 1593 Tz. 26; Palandt-Diederichsen, BGB, 57. Aufl., § 1593 Rnr. 6). Damit hat das Urteil zugleich, wie vom Beklagten in der Einspruchsentscheidung zutreffend dargestellt, den Tatbestand, an den das Steuergesetz die Gewährung des Kinderfreibetrages knüpft, rückwirkend geändert (ebenso Tipke/Kruse a.a.O. Tz. 35; für den Fall der Anfechtung des Vaterschaftsanerkenntnisses Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 03. März 1994 II 297/92, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1994, 1006). Dem Urteil des 7. Senats des hiesigen Gerichts vom 17. Februar 1983 VII 300/81, EFG 1983, 504, kann daher entgegen der Ansicht des Klägers nicht gefolgt werden. Diese Entscheidung, die die Nichtigerklärung einer Ehe entgegen der statusrechtlichen Folgen nicht als rückwirkendes Ereignis wertet, widerspricht der herrschenden Meinung.
Ebensowenig kommt ein Abzug der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen in Betracht.
Gem. § 33 a Abs. 1 S. 3 EStG erfordert der Steuerabzug von Unterhaltsaufwendungen, daß weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Kinderfreibetrag für die unterhaltende Person hat. Bereits an dieser Voraussetzung fehlt es hier, da die Kindesmutter als leibliche Mutter weiterhin einen Kinderfreibetrag beanspruchen kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 13 und 25 des Gerichtskostengesetzes
Fundstellen
Haufe-Index 1033558 |
NWB-DokSt 1999, 583 |