rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Konkurrenz von Änderungsbescheiden aufgrund neuer Tatsachen sowie eines Vorläufigkeitsvermerks. zum einheitlichen Vertragswerk
Leitsatz (amtlich)
1. Hat das FA einen Steuerbescheid vorläufig hinsichtlich eines Sachverhalts erlassen, wird ihm nachträglich ein damit nicht zusammenhängender, anderer steuererhöhender Sachverhalt bekannt und hat es anschließend den Bescheid nach punktueller Prüfung hinsichtlich des vorläufigen Sachverhalts für endgültig erklärt, so ist es dadurch nicht gehindert, später auch noch einen eigenen Änderungsbescheid wegen der nachträglich bekanntgewordenen Tatsachen zu erlassen.
2. Zum grunderwerbsteuerlichen „einheitlichen Vertragswerk” bei Erwerb eines zur Bebauung mit einem Supermarkt bestimmten Grundstücks.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 165 Abs. 1-2; GrEStG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Grundstückskaufvertrag und der Generalunternehmervertrag über die Errichtung eines Betriebsgebäudes ein sogenanntes einheitliches Vertragswerk bilden, das insgesamt den Erwerb eines bebauten Grundstücks zum Inhalt hat.
Die … (GbR) vermietete mit Vertrag vom 6.9.1988 an die R. einen in … auf einer Teilfläche der Grundstücke Gemarkung … noch zu errichtenden Lebensmittelmarkt. Dem Mietvertrag war als Anlage eine Baubeschreibung über das zu errichtende Betriebsgebäude beigefügt. Die Grundstücke standen zu dieser Zeit noch im Eigentum der … AG.
Auf ihren Bauantrag vom 14.10.1988 erteilte der Stadtdirektor der Stadt … der GbR unter dem 22.11.1988 eine Teilbaugenehmigung, die zur Durchführung der Baustelleneinrichtung, der Erdarbeiten, Entwässerungsarbeiten, Beton- Stahlbeton- und Maurerarbeiten bis zum Erdgeschoß berechtigte. Der … AG wurde unter dem 14.2.1989 für die zu bebaubende Teilfläche eine Teilungsgenehmigung gem. §§ 19 ff. des Bundesbaugesetzes erteilt.
Der Kläger (Kl) erwarb mit notariell beurkundetem Grundstückskaufvertrag vom 28.9.1989 von der … AG, die hierbei vollmachtlos vertreten wurde, diese abgeteilten Grundstücke zu einem Kaufpreis von DM 524.550,–. Er verpflichtete sich außerdem, der Verkäuferin die Gebühren für den Kanalanschlußbeitrag in Höhe von etwa DM 28.000.– zu erstatten.
Am gleichen Tag schloß der Kl mit der Wohnungsbaufirma des Zeugen … aus … einen Generalunternehmervertrag über die Errichtung des Lebensmittelmarktes auf den erworbenen Grundstücken zu einem Pauschal-Festpreis von DM 1.613.613.– … Die zwischen der GbR und R. vereinbarte Baubeschreibung machten die Vertragsparteien zum Gegenstand ihres Vertrages. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Generalunternehmervertrag vom 28.9.1989 Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 3.11.1989 setzte der Beklagte (Bekl) die Grunderwerbsteuer auf DM 11.051.– fest (Bemessungsgrundlage: DM 552.550.–). Der Grunderwerbsteuerbescheid erging gemäß § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) vorläufig, weil die vom Kl der Grundstücksveräußerin zu erstattenden Kanalanschlußbeiträge betragsmäßig noch nicht genau feststanden. Mit Bescheid vom 16.8.1990 erklärte der Bekl den Grunderwerbsteuerbescheid vom 3.11.1989 für endgültig.
Bereits vorher, und zwar am 15. Mai 1990 hatte das Finanzamt … dem Bekl zu Händen der Grunderwerbsteuerstelle den Generalunternehmervertrag vom 28.9.1989 einschließlich der zugehörigen Anlagen übersandt.
Der Bekl änderte mit Bescheid vom 25.9.1990 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) die Grunderwerbsteuerfestsetzung und setzte die Grunderwerbsteuer auf DM 43.322.– fest. Zur Begründung führte er unter anderem aus: Der Grundstückskaufvertrag und der Generalunternehmervertrag stellten ein einheitliches Rechtsgeschäft dar, das auf den Erwerb eines neu zu errichtenden Gebäudes (SB-Markt) gerichtet sei. Die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer betrage daher DM 2.166.107.–.
Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage macht der Kläger geltend:
Der Änderungsbescheid sei bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen rechtswidrig. Er könne nicht auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt werden, weil neue Tatsachen nicht bekannt geworden seien. Der Generalunternehmervertrag vom 28.9.1989 sei dem Bekl nicht nach abschließender Zeichnung des Bescheids vom 16.8.1990, sondern bereits im Mai 1990 bekannt geworden. Denn der Sachbearbeiter … des Bekl, der den Grunderwerbsteuerbescheid vom 3.11.1989 und die Endgültigkeitserklärung vom 16.8.1990 bearbeitet habe, habe bereits Mitte Mai 1990 den Generalunternehmervertrag gekannt. Obwohl demnach der Generalunternehmervertrag bekannt gewesen sei, habe der Bekl den Grunderwerbsteuerbescheid vom 3.11.1989 für endgültig erklärt, ohne den Generalunternehmervertrag grunderwerbsteuerrechtlich zu berücksichtigen. Da bei der Endgültigkeitserklärung nach § 165 Abs. 2 AO eine sachliche Prüfung des Steuerfalles erfolge, stelle im Streitfall der Generalunternehmervertrag keine neue Tatsache im Sinne des § 173 AO dar. Eine sachliche Prüfung unterbleibe nur dann, wenn ein Vorbehalt kraft Gesetzes ent...