Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachschieben von Tatsachen im Einspruchsverfahren nach Eintritt der Festsetzungsverjährung

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ein Nachschieben von Tatsachen in einem die Änderung der Steuerfestsetzung betreffenden Einspruchsverfahren ist jedenfalls dann nicht möglich, wenn auf diese Weise dem Änderungsbescheid erst nach dem Eintritt der Festsetzungsverjährung eine die Änderung rechtfertigende Begründung gegeben wird.
  2. Die Anfechtung eines rechtswidrigen Bescheids hemmt die Festsetzungsverjährung nur insoweit, als über die Berechtigung zum Erlass des Bescheids im Zeitpunkt seines Wirksamwerdens gestritten wird.
 

Normenkette

AO § 171 Abs. 3, § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.12.2000; Aktenzeichen VIII R 12/00)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid wegen "nachträglich bekanntgewordener Tatsachen" ändern durfte.

Der Kläger, von Beruf . . . kaufmann, war im Streitjahr 1984 alleiniger und geschäftsführender Gesellschafter der "A" (im folgenden: GmbH). Nachdem der Kläger Anfang April 1985 seine Einkommensteuer-Erklärung für das Streitjahr 1984 beim damals zuständigen Finanzamt A-Stadt eingereicht hatte, erging unter dem 06.01.1986 ein Einkommensteuerbescheid, in dem unter anderem Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 7.805,00 DM berücksichtigt wurden. Ein Einspruchsverfahren wurde durch Abhilfebescheid in 1986 abgeschlossen. Später wurde dieser Bescheid noch durch weitere Bescheide - zuletzt unter dem 23.08.1988 - geändert. Der Bescheid vom 23.08.1988, der nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, wurde formell bestandskräftig.

Am 27.11.1989 ging beim Finanzamt A-Stadt ein Schreiben des Finanzamts für Großbetriebsprüfung B-Stadt vom 15.11.1989 ein, in dem - betr. das Streitjahr 1984 - folgendes ausgeführt ist: "Bei der Bp der Firma A, deren alleiniger Anteilseigner der o.a. Pfl. ist, wurden folgende verdeckte Gewinnausschüttungen festgestellt:

1984 / DM

Gema-Rückstellung

1.470.672,--

Krankenkasse usw.

5.736,--

anrechenbare Körpersch.St.

830.379,--

2.306.887,--.

Die näheren Begründungen hierzu erhalten Sie, wenn demnächst der Bp-Bericht erstellt wird. Wegen der zum 31.12.1989 eintretenden Festsetzungsverjährung für das Jahr 1984 bitte ich, schon vorab berichtigte Bescheide zu erlassen."

Ausweislich der Steuerakten fanden unter anderem am 01.12.1989 Telefonate zwischen dem Vorsteher des Finanzamts für Großbetriebsprüfung und dem seinerzeit zuständigen Sachbearbeiter beim Finanzamt A-Stadt statt. Besprechungsinhalt war nach den gefertigten Gesprächsnotizen die Mitteilung von verdeckten Gewinnausschüttungen für die hier nicht streitigen Jahre 1982 und 1983 und die Frage der Festsetzungsverjährung für diese Zeiträume.

Unter Hinweis auf die bei der GmbH durchgeführte Außenprüfung erließ das Finanzamt A-Stadt unter dem 11.12.1989 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1984, in welchem die Einkommensteuer unter Ansatz von Einnahmen aus Kapitalvermögen von nunmehr 2.314.692,00 DM festgesetzt wurde; in dem Bescheid fand auch eine Anrechnung der Körperschaftsteuer in Höhe von 830.479,00 DM statt. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Ein Auszug aus dem Außenprüfungsbericht mit einer Sachverhaltsschilderung betr. die Vorgänge bei der GmbH ging beim Finanzamt A-Stadt am 17.01.1990 ein. Mit Schreiben vom 15.02.1990 wurde vom Kläger mitgeteilt, daß der Einspruch im Hinblick auf die verdeckte Gewinnausschüttung "Krankenkasse" in Höhe von 8.962,00 DM (einschließlich Körperschaft, steuer-Anrechnungsguthaben) nicht weiterverfolgt werde.

Im Verlauf des Rechtsbehelfsverfahrens ergingen weitere Änderungsbescheide; mit Bescheid vom 17.11.1992 wurde der Ansatz eines Körperschaftsteuer-Anrechnungsguthabens als Einnahme (und die Körperschaftsteuer-Anrechnung) rückgängig gemacht, mit Bescheid vom 09.12.1994 nach der Vorlage einer entsprechenden Steuerbescheinigung von dem zwischenzeitlich örtlich zuständigen Beklagten wieder vollzogen.

Im Hinblick auf die Körperschaftsteuer-Festsetzung bei der GmbH kam es zu einem Klageverfahren bei dem Finanzgericht Münster. Mit Urteil vom 04.08.1995 (9 K 4911-4912/92 K) entschied das Gericht, daß von einer anderen Ausschüttung in Höhe von 357.468,00 DM zu Gunsten des Klägers auszugehen sei. Das für die GmbH zuständige Finanzamt C-Stadt teilte dem Finanzamt A-Stadt mit Schreiben vom 23.09.1996 im übrigen mit, daß die GmbH für 1984 Körperschaftsteuer in Höhe von 3.226,00 DM (dies entspricht rechnerisch der Ausschüttungsbelastung für eine Ausschüttung in Höhe von 5.736,00 DM) gezahlt habe.

Auf dieser Grundlage erließ der Beklagte unter dem 05.11.1996 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1984, in dem Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von 363.204,00 DM angesetzt wurden ("unstreitige vGA": 5.736,00 DM; "durch das FG festgestellte vGA": 357.468,00 DM). Darüber hinaus ließ der Beklagte - ohne den Ansatz entsprechender Einnahmen - eine Anrechnung von Körperschaftsteuer in Höhe von 3.226,00 DM zu. Der Bescheid träg...

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