rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch türkischer Wanderarbeitnehmer
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine nach dem Kollisionsrecht (EGBGB) maßgebliche Vaterschaftsfeststellung durch ein türkisches Gericht ist als Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung von Kindergeld anzuerkennen, wenn sie nicht wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung (ordre public) widerspricht. Die Nichteinholung eines Abstammungsgutachtens im Statusverfahren ist insoweit unschädlich.
2. Der Kindergeldanspruch türkischer Arbeitnehmer kann nicht von dem Besitz einer Aufenthaltserlaubnis oder -befugnis abhängig gemacht werden und besteht auch für im Herkunftsland wohnhafte Kinder. Dies gilt in gleicher Weise, wenn der Anspruchsberechtigte Arbeitslosengeld bezieht.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1, § 62 Abs. 2 S. 1; ZPO § 328 Abs. 1 Nr. 4; EGBGB Art. 20-21, 6, 20 Abs. 1, Art. 220 Abs. 1; SozAbkTürkei Art. 33 Abs. 1; Assoziationsrats-Beschluss Nr. 3/80 Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung der Festsetzung von Kindergeld für seinen Sohn „A”.
Der Kläger ist als türkischer Staatsangehöriger am 01.01.1983 in die Bundesrepublik eingereist. Seit Juni 1999 besitzt er unter Aufgabe der türkischen die deutsche Staatsbürgerschaft. Er war bei der „B” GmbH in W als Arbeitnehmer beschäftigt. Nach seiner Kündigung zum 31.10.1998 war er bis zum 31.08.1999 arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Er bezieht laufend für seine Kinder „C” (geb. 07.10.1992) und „D” (geb. 01.10.1996) Kindergeld. Am 29. August 1997 ging beim Arbeitsamt „E” folgende anonyme Anzeige ein:
31.08.1997
An die Kindergeldkasse
Betreff:
Beide möchten je ein Kind ein Junge von einem älteren Bruder der in der Türkei wohnt für die Kinder für sich Kindergeld anmelden.
„F” hat die Jungen jetzt im Urlaub mitgebracht.
„F” hat nur ein kleines Kind und ist erst vier Jahre verheiratet.
(vertraulich)
Am 07.10.1998 führte der Kläger in dem ihm vom Beklagten übersandten Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs auf Kindergeld unter „3. Kinder” zum ersten Mal den Sohn
„A”, geboren am 13.11.1985, Wohnland Türkei, auf. Auf dem Vordruck ist vom Beklagten handschriftlich vermerkt, „Familienstandsbesch. folgt + Antr.Ausf. Achtung, ab 1.11.98 alo” Der gelbe Vordruck „Antrag auf Kindergeld”, in dem die Kinder „A”, „C” und „D” aufgeführt sind, ging beim Beklagten am 10.02.1999 ein. Es ist unter 7. angegeben, dass „A” bei der Großmutter in der Türkei lebe. Beigefügt ist eine Familienstandsbescheinigung für türkische Arbeitnehmer, in der alle drei Kinder aufgeführt sind. Dem Beklagten gegenüber erklärte der Kläger, er habe bisher für „A” kein Kindergeld beantragt bzw. bezogen, da erst seit ca. zwei Jahren gerichtlich festgestellt worden sei, dass „A” sein leibliches Kind sei. Zum Nachweis dessen legte er eine Bescheinigung des Bezirksvorstehers der Gemeinde „ G „ vor, woraus sich ergibt, dass dem Kläger das Sorgerecht per Gerichtsbeschluss übertragen ist. Er legte weiter eine türkische Geburtsurkunde mit Übersetzung vor, wonach „A” (geb. 13.11.1985) Sohn des „F” (= Kläger) und der ledigen Mutter „ H „ ist. Diese Bescheinigung datiert vom 07.05.1997, sie diene zur Vorlage für Deutsche Ämter. Zur Entscheidung über den Anspruch auf Kindergeld forderte der Beklagte vom Kläger eine Vaterschaftsanerkennung nach deutschem Recht. Der Kläger teilte dem Beklagten mit, dass eine derartige Bescheinigung ihm nicht ausgehändigt werde und legte eine ins Deutsche übersetzte Geburtsurkunde des Kindes vor.
Der Beklagte lehnte den Antrag am 19. Mai 1999 ab und setze Kindergeld für „A” auf 0 DM fest, da eine Vaterschaftsanerkennung nach deutschem Recht nicht vorgelegt werden könne. Den vom Kläger dagegen eingelegten Einspruch wies der Beklagte mit Entscheidung vom 28.06.1999 als unbegründet zurück. Er begründete dies damit, die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld für „A” lägen nicht vor, da die Angaben in den vorliegenden türkischen Bescheinigungen nicht ausreichend seien. Es sei die Vorlage einer Anerkennung des Kindes nach deutschem Recht erforderlich.
Mit der von ihm am 28.07.1999 erhobenen Klage legt der Kläger in türkischer Sprache und in Übersetzung einen Beschluss des Landgerichts „T „ ( Türkei ) vom 17.07.1997 vor, mit dem im Verfahren des Klägers gegen „ H „ das Sorgerecht für „A” dem Kläger übertragen wurde. Nach dem Beschluss war die Kindesmutter bei der Verhandlung persönlich anwesend und hatte erklärt, dass sie gegen den Antrag auf Übertragung des Sorgerechts nichts einzuwenden habe; der Vater des kleinen „A” lebe im Ausland und könne ihm eine bessere Zukunftsgrundlage bieten, da ihre Möglichkeiten dazu nur beschränkt seien. Im Tatbestand der Entscheidung ist auf den Beschluss des Landgerichts „ T „ vom 19.12.1996 Nr.…verwiesen, mit dem „die Abstammung des Kindes richtig gestellt” worden war. Der Kläger legt das Urteil des Landgerichts „ T „ vom 19.12.1996 in Übersetzung vor, wonach der von „F” und „ H „ abstammende „A” das Kind von „F” (= Kläger) ist...