Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung der Umsätze eines Orchesters: Begriff der „gleichartigen Einrichtung“ – Kriterium der Subventionierung
Leitsatz (redaktionell)
Die staatliche Subventionierung eines Orchesters ist keine notwendige Voraussetzung für die Gleichartigkeit der Einrichtung i.S.d. § 4 Nr. 20 Buch. a Satz 2 UStG und deshalb für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung irrelevant.
Normenkette
UStG § 4 Nr. 20 Buch. a, § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; MwStSystRL Art. 132 Abs. 1 Buchst. n
Tatbestand
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Die Klägerin unterhält ein Orchester...
In ihren Umsatzsteuervoranmeldungen für die Monate Januar und Februar des Streitjahres 2015 erklärte die Klägerin eine festzusetzende Steuer von jeweils 0 €. Für die Monate März bis September wurden jeweils Vorsteuerüberhänge erklärt, denen der Beklagte (das Finanzamt --FA--) zustimmte.
Im Dezember 2015 begann das FA mit einer Umsatzsteuersonderprüfung bei der Klägerin, die sich auf die Voranmeldungszeiträume März bis November 2015 erstreckte. Im Rahmen dieser Prüfung beantragte das FA für die Klägerin bei der Bezirksregierung Z-Stadt mit Schreiben vom 28.12.2015 den Erlass einer Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 Buch. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG), die am 24.6.2016 erteilt wurde. Darin wurde beschieden, dass die Klägerin die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buch. a Satz 1 UStG genannten staatlichen und kommunalen Einrichtungen erfülle.
Die Umsatzsteuersonderprüfung wurde mit Prüfungsbericht vorn 4.7.2016, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, abgeschlossen. Das FA gelangte darin zu dem Ergebnis, dass die Ausgangsleistungen der Klägerin nach § 4 Nr. 20 Buch. a Satz 2 UStG steuerfrei seien und daher ein Abzug der von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuer nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausscheide. Es erließ daher am 22.8.2016 entsprechend geänderte Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide für die Voranmeldungszeiträume März bis Juni und August bis September 2015, die allesamt auf 0 € lauteten. Eine weitere Nullfestsetzung für den Voranmeldungszeitraum Juli 2015 datiert vom 25.8.2016.
Dagegen legte die Klägerin Einsprüche ein. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens reichte sie zunächst am 5.5.2017 ihre Umsatzsteuerjahreserklärung für 2015 ein, in der eine verbleibende Umsatzsteuer von 0 € erklärt wurde. Das FA erteilte am 19.5.2017 eine entsprechende Abrechnung.
Am 21.5.2017 reichte die Klägerin sodann eine berichtigte Umsatzsteuerjahreserklärung für 2015 ein. In dieser Erklärung legte sie Ausgangsumsätze zum ermäßigten Steuersatz von 7% in Höhe von…€ und Vorsteuern von…€ zugrunde, so dass sich rechnerisch ein Erstattungsbetrag von…€ ergab.
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Das FA teilte der Klägerin mit Schreiben vom 9.6.2017 mit, dass es von der am 5.5.2017 übermittelten Umsatzsteuererklärung nicht abweichen wolle und daher kein geänderter Umsatzsteuerbescheid für 2015 erlassen worden sei. Die Steueranmeldung vom 5.5.2017 stehe gem. § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 1 AO gleich. Hierdurch hätten sich die Einsprüche gegen die Vorauszahlungsbescheide erledigt. Der berichtigten Jahreserklärung komme lediglich der Charakter eines Änderungsantrags i.S.v. § 164 Abs. 2 AO zu. Eine Änderung der Steuerfestsetzung erfolge erst mit der Zustimmung des FA gem. § 168 Satz 2 AO, über die noch gesondert entschieden werde.
Mit Einspruchsentscheidung vom 2.4.2020, auf die wegen ihres Inhalts Bezug genommen wird, wies das FA den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück.
Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt: Das FA verletze ihre Rechte, indem es von einer Steuerfreiheit ihrer Ausgangsleistungen nach § 4 Nr. 20 Buch. a UStG ausgehe und daher den Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen versage. Gemäß § 4 Nr. 20 Buch. a Satz 1 UStG seien u.a. die Umsätze von Orchestern, Kammermusikensembles und Chören des Bundes, der Länder und der Gemeinden umsatzsteuerfrei. Gleiches gelte gemäß Satz 2 der Vorschrift für gleichartige Einrichtungen anderer (privater) Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinige, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die vorstehenden Einrichtungen erfüllten. Die Steuerbefreiung greife demnach, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt seien: Erstens müsse der Unternehmer die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen, wie eine Einrichtung im Sinne des Satz 1, was von der zuständigen Landesbehörde (Bezirksregierung) bescheinigt werden müsse. Zweitens müsse der Unternehmer eine gleichartige Einrichtung wie die in Satz 1 genannten Einrichtungen sein.
Die letztgenannte Voraussetzung werde nicht von der Landesbehörde, sondern vom FA geprüft. Der Bundesfinanzhof (BFH) und das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) sähen die Gleichartigkeit der Einrichtung und die Gleichheit der kulturellen Aufgabenerfüllung als unterschiedliche Voraussetzungen der Steuerfreiheit an, auch wenn beide nur bedingt voneinander abgrenzbar seien. Da sich ...