Entscheidungsstichwort (Thema)
Abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen
Leitsatz (redaktionell)
- Die auf der Nichtanerkennung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft beruhende Mehrsteuer ist im Wege der abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen zu korrigieren, wenn sie allein wegen der rechtswidrigen und von der Organgesellschaft nicht zu vertretenden Ablehnung der Eintragung des Ergebnisabführungsvertrages in das Handelsregister festgesetzt worden ist.
- Auch das Fehlverhalten einer nicht der Finanzverwaltung zuzurechnenden Behörde (hier: Registergericht) kann eine abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen erfordern, wenn die Finanzverwaltung belastende steuerrechtliche Folgen an die Entscheidung dieser – zwar nicht steuerfestsetzenden aber steuerrechtliche Normen anwendenden – Behörde knüpft.
Normenkette
AO §§ 5, 163; KStG § 14; FGO § 102; BGB § 839 Abs. 3
Streitjahr(e)
1992, 1993
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin gehört zum „U-Konzern”. Seit dem „Oktober 1992” ist sie 100%ige Tochter der „U-AG”. Am „September 1993” schlossen die Klägerin und die „U-AG” einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag – EAV – mit Wirkung zum 01.10.1992. Die Gesellschafterversammlung der Klägerin stimmte diesem am „November 1993” und die Hauptversammlung der „U-AG” am „März 1994” zu. Der Beschluss der Gesellschafterversammlung der Klägerin wurde notariell beurkundet. Der EAV wurde sodann dem zuständigen Amtsgericht „H-Stadt” zur Eintragung in das Handelsregister vorgelegt. Dieses lehnte die Eintragung des Vertrages in das Handelsregister wegen einer angeblich nicht zulässigen Rückwirkung ab. Das dagegen von der Klägerin eingelegte Rechtsmittel blieb mit Beschluss des Oberlandesgerichts „G-Stadt” vom „Juni 1996” letztinstanzlich erfolglos. Nach der Entscheidung des OLG „G-Stadt” lagen zwar im Zeitpunkt der Anmeldung des EAV die Voraussetzungen zur Eintragung des Vertrages vor. Das AG „H-Stadt” habe die Wirkung des § 14 Nr. 4 Körperschaftsteuergesetz – KStG – verkannt. Die Eintragung habe aber, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung des OLG „G-Stadt” die Frist des § 14 Nr. 4 KStG verstrichen gewesen sei, nicht mehr vorgenommen werden können.
Die Klägerin und die „U-AG” schlossen, als sich abzeichnete, dass die Eintragung möglicherweise nicht erfolgen würde, mit Wirkung vom 01.10.1993 einen weiteren EAV ab, der ausweislich seiner Präambel an die Stelle des bisherigen Vertrages treten sollte. Dieser „Ersatz-Vertrag wurde am „September 1994” in das Handelsregister mit Wirkung ab dem Wirtschaftsjahr 1993/1994 eingetragen. Die Klägerin führte, von der Wirksamkeit des bereits für das Wirtschaftsjahr 1992/1993 geschlossenen Vertrages ausgehend, den Jahresüberschuss des Wirtschaftsjahres 1992/1993 in Höhe von 1.726.476 DM an die „U-AG” ab.
Im Rahmen einer für die Jahre 1993 bis 1995 durchgeführten Konzernbetriebsprüfung kamen die Prüfer zu dem Ergebnis, dass die körperschaftsteuerliche Organschaft zwischen der Klägerin und der „U-AG” für das Wirtschaftsjahr 1992/1993 nicht anerkannt werden könne, weil der EAV vom „September 1993” nicht in das Handelsregister eingetragen worden war. Der Beklagte folgte dieser Auffassung und setzte mit Bescheid vom 27.08.1999 die Körperschaftsteuer 1993 der Klägerin auf DM 984.614 fest.
Bereits am 16.08.1996 hatte die Klägerin beantragt, den EAV vom „September 1993” aus Billigkeitsgründen steuerlich anzuerkennen. Der Beklagte lehnte mit Schreiben vom 23.03.1999 den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus sachlichen Billigkeitsgründen ab. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Mit der dagegen gerichteten Klage macht die Klägerin geltend, sie habe alles Erforderliche getan, um die rechtzeitige Eintragung ins Handelsregister zu erreichen. Das Fehlverhalten des Amtsgerichts müsse sich die Finanzbehörde wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Ein Schadensersatzanspruch aus Amtspflichtverletzung gegen das Amtsgericht „H-Stadt” bestehe nicht, da weder ein vorsätzliches noch ein grob fahrlässiges Fehlverhalten feststellbar sei. Die Steuer wäre bei Wirksamkeit des EAV um DM 210.419 niedriger festgesetzt worden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den zwischen der „U-AG” und der Klägerin mit Wirkung ab dem 01. Oktober 1992 geschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag vom „September 1993” steuerlich für das Wirtschaftsjahr 1992/93 anzuerkennen und das Finanzamt unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 19. April 2001 zu verpflichten, die mit Bescheid vom 27. August 1999 festgesetzte Körperschaftsteuer von DM 985.291 um DM 210.419 auf DM 774.872 niedriger festzusetzen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Er ist der Ansicht, die Klägerin habe zwar den Eintritt der steuerlichen Mehrbelastung nicht zu vertreten. Sie habe alles getan, um die Voraussetzungen für den gesetzlichen Tatbestand der körperschaftsteuerlichen Or...