Entscheidungsstichwort (Thema)
Abänderbarkeit von Umsatzsteuerbescheiden für Geldspielautomatenumsätze nach Ablauf der Steuerfestsetzungsfrist
Leitsatz (redaktionell)
- Der Ablauf der Festsetzungsfrist steht der nachträglichen Berücksichtigung der Umsatzsteuerfreiheit von Geldspielautomatenumsätzen entgegen.
- Die durch die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens ausgelöste Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 5 AO erfasst nur die aufgrund der Fahndungsprüfung festgestellten „Mehr-Umsätze”, nicht aber die bereits vor Durchführung der Prüfung erklärungsgemäß angesetzten und als steuerpflichtig behandelten Umsätze.
Normenkette
AO § 169 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 171 Abs. 5, § 208 Abs. 1 S. 1; RL 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. f
Streitjahr(e)
1995, 1996, 1997
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, inwieweit der Ablauf der Steuerfestsetzungsfrist einer Änderung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide entgegen steht.
Die Klägerin betrieb im Streitjahr diverse Spielhallen, in denen Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeiten sowie so genannte Unterhaltungsautomaten aufgestellt waren. Der weit überwiegende Teil der Einnahmen entfiel auf die Geldspielautomaten.
Mit Prüfungsauftrag vom 08.02.2000 des Finanzamtes für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung „X-Stadt” wurde gegen den Geschäftsführer einer „V-GmbH” („V-GmbH”), Herrn „F”, ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im Hinblick auf die „V-GmbH”, die ebenfalls ein Spielhallenunternehmen betreibt, wird auf das Parallelverfahren mit dem Az. 5 K 914/06 U verwiesen. Per Durchsuchungsbeschluss aus Juni 2000 (der genaue Tag ist aufgrund der schlechten Qualität der Kopie des Beschlusses nicht erkennbar) hat das Amtsgericht „X-Stadt” „in dem Strafverfahren gegen Herrn „F"” wegen des Verdachts der „Umsatz-, Körperschafts-, und Gewerbesteuerhinterziehung 1995-1997 als Verantwortlicher der „V-GmbH"” die Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen angeordnet. Der Beschuldigte „F” sei – so die Gründe des Beschlusses – nach dem Tode von „V” im Februar 1995, den bis dahin alleinigen Gesellschaftern der „V-GmbH”, am 01.03.1995 zum Notgeschäftsführer bestellt worden. In dieser Funktion solle er Aufzeichnungen über Einnahmen aus dem Betrieb von Geldspiel- und Unterhaltungsautomaten manipuliert und dadurch unvollständige Erlösbuchungen veranlasst haben. Wegen der Einzelheiten wird auf den in Kopie in den Steuerakten befindlichen Beschluss verwiesen. Nach Auskunft der Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2008 ist der Durchsuchungsbeschluss am 24.07.2000 vollzogen worden.
Am 04.04.2003 wurde im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung Einigung über die Höhe der hinzuzuschätzenden Umsätze erzielt. Da sich ein Teil der Spielhallen im Jahre 1995 noch im Eigentum der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Einzelfirma „V” befand, waren entsprechend der tatsächlichen Verständigung von den hinzugeschätzten Bruttoumsätzen des Jahres 1995 i. H. v. insgesamt 200.000,- DM 80.000,- DM der Klägerin und 120.000,- DM der „V-GmbH” zuzurechnen. Die hinzugeschätzten Bruttoumsätze des Jahres 1996 i. H. v. insgesamt 400.000,- DM wurden in vollem Umfang der „V-GmbH” zugerechnet. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll über die tatsächliche Verständigung vom 04.04.2003 Bezug genommen.
Der Beklagte erließ daraufhin u. a. betreffend die Klägerin unter dem 05.01.2004 einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr (1995).
Die Klägerin hat gegen diesen Bescheid unter dem 06.01.2004 Einspruch eingelegt. Unter Hinweis auf ein anhängiges Verfahren vor dem Bundesfinanzhof – BFH – mit dem Az. V R 7/02 machte sie geltend, die Einnahmen aus den Geldspielgeräten seien in vollem Umfang nicht umsatzsteuerpflichtig. Der BFH hat mit Urteil vom 12.05.2005, V R 7/02, Bundessteuerblatt – BStBl – II 2005, 617, – der Rechtsprechung des EuGH in seinem Urteil vom 17.02.2005, Rs. C-453/02 (Edith Linneweber) und C-462/02 (Savvas Akritidis), Umsatzsteuer-Rundschau (UR) 2005,194, folgend- entschieden, ein Aufsteller von Geldspielautomaten könne sich auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. f der Richtlinie 77/388/EWG berufen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 27.01.2006 hat der Beklagte die Umsatzsteuer 1995 auf 114.460,66 EUR herabgesetzt und den Einspruch im Übrigen abgewiesen. Die Höhe des – laut Einspruchsentscheidung – festgesetzten Betrags entspricht damit der auf Grundlage der für die Klägerin abgegebenen Umsatzsteuererklärung festgesetzten Umsatzsteuer. Eine weitere Umsatzsteuerminderung unter Gewährung der Umsatzsteuerfreiheit bezüglich der bereits in der Umsatzsteuererklärung – als umsatzsteuerpflichtig – angesetzten Geldspielautomatenumsätze gewährte der Beklagte nicht. Begründet wurde dies damit, dass die Steuerfestsetzungen – mit Ausnahme der aufgrund des Bescheids vom 05.01.2004 festgesetzten zusätzlichen Be...