Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinsen gem. § 233 a AO zur Einkommensteuer 1990 bis 1992
Nachgehend
Tenor
Die Zinsbescheide vom 28. März 1995 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 1996 werden geändert: die Zinsen zur Einkommensteuer 1990 werden um 5,50 DM auf 248,50 DM, zur Einkommensteuer 1991 um 11 DM auf 218 DM und zur Einkommensteuer 1992 um 126 DM auf 1.386 DM herabgesetzt.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, wann der Zinslauf der Vollverzinsung (§ 233 a Abgabenordnung 1977 -AO- in der Fassung des Art. 4 Nr. 1 Grenzpendlergesetz vom 24.06.1994, BGBl I 1994 S. 1395) endet.
Die Kläger sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Nach einer Betriebsprüfung erließ der Beklagte Einkommensteuer-Änderungsbescheide sowie Zinsbescheide für die Jahre 1990 bis 1992. Die Bescheide tragen das Datum vom 28. März 1995 (Dienstag) und wurden am gleichen Tag vom Rechenzentrum aus versandt. Die Bescheide gingen den Klägern am folgenden Tag zu. Bei der Zinsfestsetzung legte der Beklagte die auf 100 DM abgerundeten Einkommensteuer-Nachzahlungsbeträge zugrunde, im einzelnen 1.100 DM (für 1990), 2.200 DM (für 1991) und 25.200 DM (für 1992). Der Zinslauf begann jeweils am 1. April des dem Jahr der Entstehung der Einkommensteuer folgenden übernächsten Jahres und endete -nach der Berechnung des Beklagten- mit Ablauf des 31. März 1995. Auf diese Weise ergab sich eine Zinsdauer von genau 12 (für 1992), 24 (für 1991) und 36 (für 1990) vollen Monaten. Der gegen die Zinsbescheide erhobene Einspruch der Kläger blieb ohne Erfolg.
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Kläger sind der Auffassung, das Ende des Zinslaufs sei jeweils der (Ablauf des) 29. März 1995 gewesen. An diesem Tag sei die Steuerfesetzung wirksam geworden, weil ihnen die Steuerbescheide an diesem Tag zugegangen und damit bekanntgegeben worden seien. Die Regelung des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO stehe dem nicht entgegen. Diese Bekanntgabefiktion solle sich nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich zu Gunsten des Steuerbürgers bei Rechtsbehelfs- und Zahlungsfristen auswirken. Deshalb sei die Zugangsvermutung bei einem späteren tatsächlichen Zugang widerlegbar. Daß durch einen früheren tatsächlichen Zugang bereits Rechtswirkungen zu Gunsten des Steuerbürgers entstünden, schließe § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO nicht aus. Die Zinsdauer verkürze sich dementsprechend im Streitfall auf 11 bzw. 23 bzw. 35 volle Monate.
Die Kläger beantragen,
die Zinsbescheide vom 28. März 1995 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Januar 1996 in der Weise zu ändern, daß die Zinsen zur Einkommensteuer 1990 um 5,50 DM auf 248,50 DM, zur Einkommensteuer 1991 um 11,– DM auf 218,– DM und zur Einkommensteuer 1992 um 126,– DM auf 1.386,– DM herabgesetzt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Meinung, die Wirksamkeit der Steuerfestsetzung (Ende des Zinslaufs) sei erst am 31. März 1995 erfolgt. Denn erst an diesem Tag seien die Einkommensteuerbescheide für 1990 – 1992 gemäß §§ 124 Abs. 1, 122 Abs. 2 Nr. 1 AO bekanntgegeben worden. Die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO greife mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung auch im Rahmen des § 233 a Abs. 2 S. 3 AO ein. Hiernach gelte ein Steuerbescheid erst am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben und werde damit wirksam. Eine Ausnahme sei vom Gesetz nur für den Fall vorgesehen, daß er zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen sei; in diesem Fall sei der tatsächlich spätere Zugangszeitpunkt entscheidend. Für den Fall des tatsächlich früheren Zugangs habe der Gesetzgeber demgegenüber keine Ausnahmeregelung -auch nicht im Zusammenhang mit der Zinsberechnung- getroffen; hier verbleibe es bei der Bekanntgabefiktion. Daß der Zinslauf auch bei tatsächlich früherem Zugang (und ggf. sogar früherer Zahlung der Steuern) nicht verkürzt werden könne, diene offenbar der Vereinfachung, um in den meisten Fällen eine nachträgliche Korrektur des Zinslaufs zu vermeiden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Steuerakten und die Schriftsätze der Beteiligten im Klageverfahren Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Beklagte hat das Ende des Zinslaufs der Vollverzinsung (§ 233 a Abs. 2 Satz 3 AO) zu Unrecht unter Anwendung des § 122 Abs. 2 AO bestimmt. Der Zinslauf endete vielmehr bereits mit dem tatsächlichen Zugang der Einkommensteuerbescheide.
Gemäß § 233 a Abs. 2 Satz 3 AO endet der Zinslauf mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird, spätestens vier Jahre nach seinem Beginn. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit der Steuerfestsetzung ergibt sich aus § 124 Abs. 1 Satz 1 AO: Hiernach wird ein Verwaltung...