Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis: Ergänzung der Ermessenserwägungen im finanzgerichtlichen Verfahren – Kostenentscheidung bei Klageabweisung aufgrund der Ergänzung – Fortführung der Anfechtungsklage nach Vornahme der Eintragung
Leitsatz (redaktionell)
- Hat die Finanzbehörde das ihr obliegende Ermessen bei der Entscheidung über die Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nur unzureichend ausgeübt, kann sie ihre bereits dem Grunde nach im Vorverfahren dargestellten, aber noch der Verbreiterung und Verdeutlichung bedürftigen Ermessenserwägungen im finanzgerichtlichen Verfahren ergänzen und dadurch die bestehenden Mängel in der Ermessensausübung heilen.
- Bleibt die Klage aufgrund dieser Ergänzung der Ermessenserwägungen erfolglos, können die Kosten des Verfahrens nach § 137 Satz 2 FGO der Finanzbehörde auferlegt werden.
- Die gegen die Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis gerichtete Klage kann auch nach Vornahme der Eintragung als Anfechtungsklage fortgeführt werden.
Normenkette
AO § 284 Abs. 9 S. 1, Abs. 11; FGO § 40 Abs. 1, § 100 Abs. 1 S. 4, § 102 Sätze 1-2, § 137 S. 2; ZPO § 882h Abs. 1, § 882e Abs. 3
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Anordnung zur Eintragung in das Schuldnerverzeichnis gem. § 284 Abs. 9 der Abgabenordnung (AO).
Der Kläger betreibt seit einigen Jahren das B. P. in G. und das B. Z. in W., in denen jeweils auch 2 Geldspielautomaten aufgestellt sind.
Der Beklagte (das Finanzamt - FA) versuchte in 2020 und 2021 mehrfach erfolglos die Vollstreckung in das Vermögen des Klägers wegen offener Umsatzsteuerforderungen aus den Jahren ab 2018.
Das FA forderte den Kläger schließlich mit Schreiben vom 02.11.2021 zur Abgabe der Vermögensauskunft auf, sofern er nicht innerhalb von 2 Wochen die gegenüber dem Fiskus bestehenden Rückstände i.H.v. 37.633,52 € begleiche. Als Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft wurde der 16.12.2021 bestimmt. Zum anberaumten Termin erschien der Kläger ohne Mitteilung von Gründen nicht.
Unter dem 16.12.2021 ordnete das FA daraufhin die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis gegenüber dem Kläger an; der Bescheid enthielt keine Ermessenserwägungen. Aus der dem Gericht vorliegenden Erhebungsakte ist ersichtlich, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits mehrfach im Schuldnerverzeichnis eingetragen war. Mit Schreiben vom gleichen Tag stellte es beim Amtsgericht W. zudem den Antrag auf Anordnung der Haft zur Erzwingung der Abgabe der Vermögensauskunft nach § 284 Abs. 8 AO.
Gegen die Eintragungsanordnung legte der Prozessbevollmächtigte am 21.12.2021 Einspruch ein und begründete diesen damit, dass der Kläger an der Wahrnehmung des Termins zur Abgabe der Vermögensauskunft aufgrund einer ernsthaften Erkrankung am Vortag unverschuldet gehindert gewesen sei. Ein entsprechendes Attest werde nachgereicht. Zugleich bat der Prozessbevollmächtigte um Anberaumung eines neuen Termins zur Abgabe der Vermögensauskunft. Das angekündigte Attest reichte er in der Folge nicht ein.
Das Finanzamt erläuterte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 11.01.2022, warum eine Neuansetzung des Termins zur Abgabe der Vermögensauskunft ausscheide und warum auch von der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nicht abgesehen werden und der Antrag auf Anordnung der Haft nicht zurückgenommen werden könne. Auf das Schreiben wird an dieser Stelle vollumfänglich Bezug genommen.
Unter dem 15.02.2022 erneuerte der Kläger über den Prozessbevollmächtigten seine Bitte um Bestimmung eines neuen Termins zur Abgabe der Vermögensauskunft, trug jedoch keine weitere Begründung vor und legte insbesondere das avisierte Attest nicht vor.
Am 28.03.2022 erfolgte die Eintragung des Klägers in das Schuldnerverzeichnis.
Mit Einspruchsentscheidung vom 18.05.2022 wies das FA den Einspruch gegen die Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis als unbegründet zurück. Das FA ging in der Einspruchsentscheidung zunächst darauf ein, dass der Kläger rechtmäßig zur Abgabe der Vermögensauskunft aufgefordert worden sei. An die Aufforderung seien zwar strenge Maßstäbe zu stellen, Gläubiger- und Schuldnerinteressen gegeneinander abzuwägen. Die Finanzverwaltung habe indes die Aufgabe, Steuerrückstände zeitnah beizutreiben und sich dabei der gesetzlich vorgeschriebenen Mittel zu bedienen. Der Abgabe einer Vermögensauskunft könnten daher nur unzumutbare Belastungen des Auskunftspflichtigen (Gefährdung von Leben oder Gesundheit) entgegenstehen; diese seien jedoch durch ärztliches Attest nachzuweisen. Im Streitfall bestünden zum einen erhebliche Steuerrückstände und sämtliche Vollstreckungsmöglichkeiten seien erfolglos ausgeschöpft worden. Zum anderen habe der Kläger seine behauptete Erkrankung im Zeitpunkt des Termins zur Abgabe der Vermögensauskunft gerade nicht nachgewiesen. Aus diesen Gründen seien sowohl die Aufforderung zur Abgabe der Vermögensauskunft als auch die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis ermessensgerecht gewesen. Auf die (...