rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für eine Erledigungs- und eine Beweisgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Beweisgebühr kann auch anfallen, wenn das Gericht Beweis durch einen Bausachverständigen eines am Verfahren nicht beteiligten Finanzamtes einholt.

Eine Erledigungsgebühr ist nicht verdient, wenn der Prozessbevollmächtigte lediglich einer Erledigung zustimmt, nachdem ein dem Klagebegehren vollen Umfangs stattgebender Änderungsbescheid erlassen wurde.

 

Normenkette

FGO § 81; BRAGO §§ 24, 31 Abs. 1 Nr. 3

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob eine Beweisgebühr gemäß § 31 Abs. § 3 BRAGO und eine Erledigungsgebühr gemäß § 24 BRAGO angefallen sind.

Mit der Klage vom 11.11.2002 begehrte die Klägerin die Festsetzung von Eigenheimzulage ab 1998 für die Herstellung eines Neubaus. Der Beklagte hatte stattdessen Eigenheimzulage für einen Altbau gewährt.

Der Berichterstatter wandte sich mit folgendem Schreiben vom 25.08.2004 an den Beklagten: "... Ferner bitte ich Sie, über das Finanzamt ... ein schriftliches Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob durch die in 1997/98 an dem Gebäude (X-Weg) ... erfolgten Baumaßnahmen eine Wohnung i.S.d. § 2 Abs. 1, § 9 Abs. 2 Satz 1 EigZulG ... hergestellt worden ist. Es wird insbesondere um Stellungnahme gebeten, ob tragende Gebäudeteile ausgetauscht und statische Veränderungen vorgenommen worden sind, sodass aus bautechnischer Sicht ein Neubau entstanden ist (...) Die Anregung der Einholung des o.g. Gutachtens erfolgt im Einverständnis mit dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin."

Im November 2004 fand in Gegenwart des Bevollmächtigten der Klägerin eine Begehung des Objektes mit dem Sachverständigen statt. Aufgrund des schriftlichen Sachverständigengutachtens der Bausachverständigen des Finanzamtes ... vom 04.11.2005 sagte der Beklagte am 07.12.2004 die Gewährung von Eigenheimzulage für einen Neubau zu und erklärte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Daraufhin erklärte auch die Klägerin die Hauptsache für erledigt. Mit Beschluss vom 15.12.2004 wurden die Kosten des Verfahrens dem Beklagten gem. § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO auferlegt.

In seinem Kostenfestsetzungsantrag machte der klägerische Bevollmächtigte eine Beweis- und eine Erledigungsgebühr geltend, deren Ansatz die Kostenbeamtin des Gerichts mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09.08.2005, zugestellt am 19.08.2005, unberücksichtigt ließ. Hiergegen richtet sich die Erinnerung vom 24.08.2005, mit der die Klägerin geltend macht, die Beweisgebühr sei verdient, weil ein Beweisverfahren durch Einholung eines Sachverständigengutachtens durchgeführt worden sei. Da das Finanzamt ... nicht am Verfahren beteiligt gewesen sei, handele es sich auch nicht um ein Parteigutachten, das wie Sachvortrag eines Beteiligten zu behandeln sei. Die Erledigungsgebühr sei verdient, weil der klägerische Prozessbevollmächtigte bei der Erledigung mitgewirkt und sich um eine unkomplizierte Lösung des Rechtsstreits bemüht habe. Insoweit habe er mehrfach mit dem Berichterstatter das weitere Vorgehen abgestimmt.

Der Beklagte und Erinnerungsgegner ist der Ansicht, dass weder eine Beweis- noch eine Erledigungsgebühr angefallen sei. Es habe kein förmliches Beweisaufnahmeverfahren stattgefunden, ein Beweisbeschluss sei nicht ergangen. Nach Vorliegen des Gutachtens sei ohne weitere Erörterung der Änderungsbescheid ergangen. Daher fehle es auch an einem ursächlichen Beitrag des Bevollmächtigten an der Erledigung.

Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die zulässige Erinnerung (§ 149 Abs. 2 FGO) ist zum Teil begründet. Der Prozessbevollmächtigte hat Anspruch auf die Berücksichtigung einer Beweisgebühr (dazu 1.); eine Erledigungsgebühr ist dagegen nicht angefallen (dazu 2.).

1.) Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO erhält der Prozessbevollmächtigte eine volle Gebühr für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren oder bei der Anhörung oder Vernehmung einer Partei nach § 613 der Zivilprozessordnung (ZPO). Diese sog. Beweisgebühr gilt die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren, d.h. den Mehraufwand des Prozessbevollmächtigten (Zeit, Verantwortung, Tätigkeit), der durch die Beweisaufnahme entsteht, ab.

Eine Beweisaufnahme liegt dann vor, wenn das Gericht in der Absicht, entscheidungserhebliche und beweisbedürftige Tatsachen zu klären, die Beweismittel einsetzt, die in § 81 Abs. 1 FGO angegeben sind (Tipke/Kruse, FGO § 81 FGO Tz. 2). In diesem Fall kommt es nicht mehr darauf an, ob das Gericht einen förmlichen Beweisbeschluss erlassen hat, ob statt des Spruchkörpers der Vorsitzende oder der Berichterstatter tätig wurde, das Gericht sich der Beweisaufnahme gar nicht bewusst war oder der mit einer Beweisaufnahme beauftragte Berichterstatter eigenmächtig gehandelt hat (z.B. Beschlüsse des Finanzgerichts - FG - Baden-Württemberg vom 17.03.1992, 9 Ko 6/91, EFG 1992, 485, und des FG Bremen vom 13.1.2000, 2 99 302 Ko 2, EFG 2000, 289; beide m.w.N.). Dabei muss allerdings der objektive Wille des Gerichts, Beweis erheben zu wollen...

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