Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermessensgerechte Anordnung einer Prüfung nach § 6b Abs. 1 Satz 1 GSA Fleisch Betrieb der Fleischwirtschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch Aussetzung der Vollziehung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anordnung einer Prüfung nach § 6b Abs. 1 Satz 1 GSA Fleisch liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Behörden der Zollverwaltung, da das Gesetz insoweit keine besonderen Anforderungen normiert. Sie ist in aller Regel ermessensgerecht, wenn sie dem Gesetzeszweck, d.h. der Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des GSA Fleisch dient, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte für ein unverhältnismäßiges, sachwidriges oder willkürliches Verhalten der Zollverwaltung vor.
2. Da die Antragstellerin an ihrem Standort sog. Convenience-Produkte herstellt und in diesem Zusammenhang Fleisch einsetzt und verarbeitet, erscheint die Annahme, dass die Antragstellerin als ein Betrieb der Fleischwirtschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch anzusehen ist mit der Folge, dass sie den Einschränkungen des § 6a GSA Fleisch in Bezug auf den Einsatz von Fremdpersonal unterliegt, nicht als willkürlich oder sachwidrig.
3. Die Vollziehung der Prüfungsverfügung wäre nur dann wegen eines Verstoßes gegen Verfassungs- oder Unionsrecht vorläufig auszusetzen, wenn ein solcher Verstoß offensichtlich vorliegen würde. Dies ist nicht der Fall.
4. Die vom Bundesverfassungsgericht in Bezug auf das GSA Fleisch ergangenen Beschlüsse nach § 32 BVerfGG zeigen, dass den Betrieben, die möglicherweise dem GSA Fleisch unterfallen, keine so gravierenden Nachteile drohen, dass die vorläufige Aussetzung des Vollzugs des Gesetzes gerechtfertigt wäre.
Normenkette
FGO § 69; GSA Fleisch §§ 2, 6a, 6b
Nachgehend
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Prüfungsverfügung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) in Verbindung mit dem Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch).
An ihrem Standort in A stellt die Antragstellerin sog. Convenience-Produkte ... her, wobei einige Produktionsschritte von ihrer Tochtergesellschaft, der B GMBH & CO. KG (B), übernommen werden. Die Antragstellerin beschäftigte dort im Jahr 2020 insgesamt durchschnittlich 351 Mitarbeiter, darin enthalten ein Anteil von ca. 75 Werksvertragsarbeitern.
Der Produktionsprozess beginnt mit der Rohwarenannahme, bei der eine stichprobenartige Kontrolle durchgeführt wird. Im anschließenden Auspackbereich wird die angelieferte Tiefkühlware auf Auftauwägen gelegt und in den Auftauraum verbracht. Die aufgetaute Tiefkühlware sowie die angelieferte frische Ware werden sodann ausgepackt, in Vemag-Wägen gelegt und zur Weiterverarbeitung in den Schneideraum transportiert, wo die Ware sortiert und geschnitten wird. Die Bereiche Warenannahme, Auspackbereich und Schneideraum werden von der B übernommen.
Im anschließenden Produktionsschritt des Tumblers werden den Fleischteilen von Mitarbeitern der Antragstellerin Marinade und Gewürze zugefügt, bevor das Fleisch in einen brätartigen Zustand zu Fleischmasse verarbeitet wird. An den folgenden Veredelungslinien wird die Formware veredelt, d.h. zu ... verarbeitet. An den Veredelungsbereich schließt sich der Frosterbereich an, wo die Produkte gefrostet werden, bevor sie im High-Risk-Bereich auf eine Verpackungslinie kommen; dort werden die Produkte automatisch in einen Beutel abgepackt und verschlossen.
Die im Beutel verschlossenen Produkte gelangen sodann über ein Förderband in die Verpackungsabteilung. Hier werden die Produkte kartoniert, zum Teil in Transportbehältern zwischengelagert, aber auch in verschlossenen Kartons zum Lager oder zur Palettierung befördert.
Der Standort in A verfügt zudem über ein Tiefkühl- und Hilfs-/Betriebsstofflager, eine Verwaltungsabteilung, eine Werkstatt sowie eine Qualitätssicherung.
Ab dem 30. August 2022 führte der Antragsgegner am Standort A der Antragstellerin eine Prüfung nach § 2 Abs. 1 SchwarzArbG durch. Die Prüfungsverfügung vom 30. August 2022, mit der die Prüfung angeordnet worden war, gab der Antragsgegner der Antragstellerin vor Ort bekannt.
Die Prüfungsverfügung lautet auszugsweise:
"Das [...] Hauptzollamt prüft nach § 2 SchwarzArbG, ob [...]
5. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen [...]
c) entgegen § 6a Absatz 2 in Verbindung mit § 6a Absatz 3 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft ver- oder entliehen werden oder wurden:
[...]
9. entgegen § 6a oder § 1 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft
a) ein Betrieb oder eine übergreifende Organisation, in dem oder in der geschlachtet wird Schlachtkörper zerlegt werden oder Fleisch verarbeitet wird, nicht durch den alleinigen Inhaber geführt wird oder wurde,
b) die Nutzung eines Betriebes oder einer übergreifenden Organisation, in dem oder in der geschlachtet wird, Schlachtkörper zerlegt werden oder Fleisch verarbeitet wird ganz oder teilweise einem anderen gesta...