Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfungsverfügung nach dem GSA Fleisch und dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz Umstellung der Anfechtungsklage auf Fortsetzungsfeststellungsklage nach Abschluss der Prüfung während des laufenden Klageverfahrens. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: VII R 36/23)
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anordnung einer Prüfung nach § 2 Abs. 1 SchwarzArbG und § 6b Abs. 1 Satz 1 GSA Fleisch erfolgt durch Prüfungsverfügung und liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Behörden der Zollverwaltung. Sie ist in der Regel ermessensgerecht, wenn sie dem Gesetzeszweck, d.h. der Kontrolle der Einhaltung der Vorschriften des GSA Fleisch dient, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte für ein unverhältnismäßiges, sachwidriges oder willkürliches Verhalten der Zollverwaltung vor.
2. Nach dem Abschluss der Prüfung während des laufenden Klageverfahrens kann die Anfechtungsklage auf den dann statthaften Rechtsbehelf der Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt werden.
Normenkette
SchwarzArbG § 2 Abs. 1; GSA Fleisch § 2 Abs. 1, §§ 6a, 7; FGO § 100 Abs. 1 S. 4
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine Prüfungsverfügung nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) in Verbindung mit dem Gesetz zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch).
An ihrem Standort in A stellt die Klägerin sog. Convenience-Produkte wie Chicken Nuggets und Schnitzel her. Auf dem Betriebsgelände ist zudem ihre Tochtergesellschaft B GMBH & CO. KG tätig. Der Produktionsprozess umfasst die Annahme rohen Hühnerfleisches mit einer stichprobenartigen Warenkontrolle. Die aufgetaute Tiefkühlware sowie die angelieferte frische Ware werden sodann ausgepackt und im Schneideraum sortiert und geschnitten. Im sog. Tumbler werden den Fleischteilen Marinade und Gewürze zugefügt, bevor das Fleisch teilweise in einen brätartigen Zustand zu Fleischmasse verarbeitet wird. An den Veredelungslinien wird Ware zu Schnitzeln und Chicken Wings verarbeitet und nachfolgend gefrostet, bevor sie im High-Risk-Bereich auf einer Verpackungslinie automatisch in Beutel abgepackt und luftdicht verschlossen wird. Die im Beutel verschlossenen Produkte werden in der Abteilung Verpackung kartoniert und teils zwischengelagert oder direkt in verschlossenen Kartons zum Lager oder zur Palettierung befördert. Der Standort verfügt zudem über ein Tiefkühl- und Hilfs-/Betriebsstofflager, eine Abteilung Verwaltung, eine Werkstatt sowie eine Qualitätssicherung.
Mit Verfügung vom 30. August 2022 ordnete der Beklagte am Standort der Klägerin in A eine Prüfung nach § 2 Abs. 1 SchwarzArbG für den Zeitraum 1. Januar 2021 bis 30. August 2022 an (XXX).
Die Prüfungsverfügung lautet auszugsweise:
"Das [...] Hauptzollamt prüft nach § 2 SchwarzArbG, ob [...]
5. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen [...]
c) entgegen § 6a Absatz 2 in Verbindung mit § 6a Absatz 3 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft ver- oder entliehen werden oder wurden,
[...]
9. entgegen § 6a oder § 7 Abs. 1 des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft
a) ein Betrieb oder eine übergreifende Organisation, in dem oder in der geschlachtet wird, Schlachtkörper zerlegt werden oder Fleisch verarbeitet wird, nicht durch den alleinigen Inhaber geführt wird oder wurde,
b) die Nutzung eines Betriebes oder einer übergreifenden Organisation, in dem oder in der geschlachtet wird, Schlachtkörper zerlegt werden oder Fleisch verarbeitet wird, ganz oder teilweise einem anderen gestattet wird oder wurde, oder
c) Personen im Bereich der Schlachtung einschließlich der Zerlegung von Schlachtkörpern sowie im Bereich der Fleischverarbeitung tätig werden oder wurden."
Die Bediensteten begannen am selben Tag mit den Prüfungshandlungen. Die Klägerin wirkte an deren Durchführung freiwillig und kooperativ mit.
Den Einspruch der Klägerin gegen die Nr. 5 lit. c) und Nr. 9 der Prüfungsverfügung wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 2022 (RBL xxx/2021) zurück.
Die Klägerin hat am 18. November 2022 beim Niedersächsischen Finanzgericht Klage erhoben. Mit Beschluss vom 6. Dezember 2022 hat das Niedersächsische Finanzgericht den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Finanzgericht Hamburg verwiesen.
Die Klägerin begründet ihre Klage im Wesentlichen wie folgt:
Die Prüfungsverfügung sei hinsichtlich der Nr. 5 lit. c) und 9 materiell rechtswidrig, da sie an dem Standort A keinen Betrieb der Fleischwirtschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 GSA Fleisch führe. Ihr Betrieb sei nicht vom Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch umfasst, da in dem Betrieb nicht überwiegend Fleisch im Sinne von § 6 Abs. 9 des Arbeitnehmerentsendegesetzes (AEntG) verarbeitet werde.
Das FG Hamburg habe mit Beschluss vom 7. Januar 2022 (4 V 85/21) vorläufig festgestellt, dass die Bereiche "Tiefkühl- und Betriebslager", "Verwaltung", "Qualitätssicherung" und "Werkstatt" nicht dem Bereich der Fleischverarbeitung im Sinne des § 6a Abs. 2 GSA Fleisch unterfielen, sodass die Prüfungsverfügun...