Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungsmöglichkeit eines bestandskräftigen Bescheides Begriff des bestimmten Sachverhaltes im Sinne von § 174 Abs. 3 AO

 

Leitsatz (amtlich)

1. In den Fällen des § 174 Abs. 3 AO kann nur dann eine Änderung erfolgen, wenn der Steuerpflichtige auf eine irrige Rechtsansicht vertraut hat und ohne Änderungsmöglichkeit seine Rechte nicht weiterverfolgen konnte. Dies ist dann nicht der Fall, wenn der Steuerpflichtige die Möglichkeit gehabt hätte einen noch offenen Rechtsbehelf zu erweitern und diese Möglichkeit nicht wahrgenommen hat.

2. Der Begriff des bestimmten Sachverhaltes im Sinne von § 174 Abs. 3 AO ist nicht auf eine einzelne steuererhebliche Tatsache oder ein einzelnes steuerrechtlich bedeutsames Merkmal beschränkt, sondern erfasst den einheitlichen, für diese Besteuerung maßgeblichen Sachverhaltskomplex. Entscheidend ist, dass aus demselben unveränderten und nicht durch weitere Tatsachen ergänzten Sachverhalt andere steuerrechtliche Folgerungen noch in einem anderen Steuerbescheid gegenüber dem Steuerpflichtigen zu ziehen sind. Hierfür ist es erforderlich, dass der Steuerpflichtige Unterlagen eingereicht hat aus denen sich der Sachverhalt für das Finanzamt eindeutig und umfassend ergeben hat.

 

Normenkette

AO § 174 Abs. 3

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Änderung gem. § 174 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) vorliegen.

Die Klägerin ist ein ... Sie war 1999 und in den nachfolgenden Jahren zu 100 % an dem Wertpapier-Sondervermögen XX beteiligt. Diesem sind in 1999 ab dem 1. April 1999 Verluste aus Termingeschäften entstanden.

Das Sondervermögen XX ist ein Spezialfonds im Sinne des § 1 Abs. 2 des damals in Kraft gewesenen Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG). Es handelt sich um ein Wertpapier-Sondervermögen mit überwiegend Aktien und festverzinslichen Wertpapieren inländischer und ausländischer Aussteller. Die A-GmbH als Kapitalanlagegesellschaft hat das bei XX eingelegte Geld für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger (hier also nur der Klägerin) im eigenen Namen nach dem Grundsatz der Risikomischung gesondert im eigenen Vermögen angelegt.

Die Klägerin reichte ihre Körperschaftsteuererklärung für 1999 am 3. Mai 2001 beim Beklagten ein. Dabei bezog sie in 1999 grundsätzlich nur die ausgeschütteten Erträge von den Sondervermögen in ihre steuerliche Bemessungsgrundlage ein. Die nach § 39 KAGG zusätzlich zu erfassenden thesaurierten Erträge übermittelte sie nicht an das Finanzamt. Zusammen mit der Körperschaftsteuererklärung 1999 reichte die Klägerin insbesondere die Anlage 4a Seite 1 ein. In dieser Anlage wird das "YY ´99" erwähnt, welches nach Angaben der Klägerin das im Streitfall relevante XX sein soll. Auf dieser Anlage werden 20.830.114 Anteile genannt. Nach den Erläuterungen in der Anlage werden alle 100%ige-Beteiligungen "fett gedruckt". Die "YY ´99" ist nicht "fett gedruckt". Verluste werden auf dieser Übersicht nicht ausgewiesen.

In dem Prüfbericht Wertpapier-Sondervermögen XX zum 31. Dezember 1999 wird auf Seite 13 ein Verlust in Höhe von ... € ausgewiesen. Es ist nicht bekannt, wann und in welchem Zusammenhang dieser Prüfbericht an den Beklagten übergeben wurde.

Der Körperschaftsteuerbescheid für 1999 erging am 17. Dezember 2001 erklärungsgemäß, aber unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO). Die Körperschaftsteuer wurde auf ... DM festgesetzt.

Der Beklagte führte in den Jahren 2003 bis 2009 bei der Klägerin unter Mitwirkung des Bundeszentralamts für Steuern (BZSt) eine Außenprüfung betreffend die Jahre 1999 bis 2001 durch. Er kam dabei zu dem Ergebnis, dass nach § 2 Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG 1995) sowohl die Übertragung des Vermögens der B-AG an die Klägerin als auch die Gewährung der Gegenleistung durch die Klägerin an die Aktionäre der B-AG steuerlich auf den steuerlichen Übertragungsstichtag zurückzubeziehen und daher in der Bilanz zum 31. Dezember 1999 zu erfassen seien. Im Prüfungsvermerk Nr. 15 vom 2. März 2007 nahm der Prüfer Stellung zu thesaurierten Erträgen aus Investmentanteilen und errechnete für die XX einen verbleibenden thesaurierten Nettoertrag in Höhe von ... DM. Verluste wurden in diesem Zusammenhang nicht ermittelt.

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2006 beantragte die A GmbH (...) insbesondere für die XX die Verlustverrechnung der aufsummierten Verluste in Höhe von ... €.

Die Klägerin beantragte mit Schreiben vom 31. März 2009 die Körperschaftsteuer im Billigkeitswege abweichend festzusetzen. Diesen Antrag nahm die Klägerin mit Schreiben vom 12. September 2018 zurück.

Der Beklagte erließ am 24. August 2010 einen den Prüfungsfeststellungen entsprechenden geänderten Körperschaftsteuerbescheid für 1999, in dem er die Körperschaftsteuer auf ... € festsetzte.

Hiergegen legte die Klägerin am 9. September 2010 Einspruch ein.

Mit Bescheid vom 26. Januar 2011 lehnte der Beklagte den Antrag der A GmbH vom 19. Dezember 2006 auf Verrechnung der summierten Verluste in Hö...

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