Entscheidungsstichwort (Thema)

Übergang öffentlich-rechtlicher Aufgaben

 

Leitsatz (amtlich)

Kernbereich der öffentlichen Aufgabe und öffentlich-rechtlichen Tätigkeit der Kirchenkörperschaften ist die Religionsausübung durch Gottesdienst und Seelsorge.

Zu den öffentlich-rechtlichen Aufgaben gehört weiter die Verwaltung der für Gottesdienst und Seelsorge gebrauchten öffentlichen Sachen (res sacrae) sowie des Pfarrhauses mit Dienstwohnung des Pastors und Pfarramt sowie Gemeindehaus.

Im Rahmen der ökumenischen Zusammenarbeit der Kirchen gleichen Glaubensbekenntnisses können neben Verwaltungsaufgaben auch Aufgaben von Gottesdienst und Seelsorge konkret bezogen auf das verkaufte Kirchengrundstück mit Kirchengebäude übergehen.

 

Normenkette

AO § 163; EGV Art. 12, 17; FGO §§ 60, 74; GG Art. 4, 140; GrEStG § 4 Nrn. 1, 3; WRV Art. 137-138

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.09.2011; Aktenzeichen II R 16/10)

 

Tatbestand

A.

I. Die Klägerin ist eine christliche Kirche und begehrt für den Kauf eines Kirchengrundstücks mit Kirchengebäude von der beigeladenen Gemeinde einer anderen christlichen Kirche eine Grunderwerbsteuer-Befreiung.

In erster Linie stützt die Klägerin ihr Begehren auf § 4 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG); dort heißt es: "§ 4 Besondere Ausnahmen von der Besteuerung. Von der Besteuerung sind ausgenommen:

1. der Erwerb eines Grundstücks durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts, wenn das Grundstück aus Anlaß des Übergangs von öffentlich-rechtlichen Aufgaben ... von der einen auf die andere juristische Person übergeht ..."

  • 1. Beide Kirchen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts (KöR) im Sinne des Hamburgischen Gesetzes über die Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an Religionsgesellschaften und im Sinne der Verordnung über die Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts in Hamburg (Sonder- u. Anlagenband -Anlagenbd.-).

    • a) In der Verfassung der Klägerin heißt es auszugsweise (in der deutschen Fassung, Anlagenbd.): "... Artikel 2 ... III. Die ... (Klägerin) pflegt im Geiste der christlichen Einheit den Ökumenischen Dialog und die Beziehungen zu den Kirchen anderer Konfessionen im Jurisdiktionsgebiet. ... Artikel 5 I. In den Städten und Gemeinden des Jurisdiktionsgebiets werden ... Gemeinden gebildet ..."
    • b) In der Verfassung der Kirchenkörperschaft, zu der die beigeladene verkaufende Kirchengemeinde gehört, heißt es auszugsweise (Anlagenbd.): "Präambel

      Die ... Kirche bekennt als ihre Grundlage das Evangelium ...

      Die ... Kirche hat den Auftrag, das Evangelium in Wort und Tat zu bezeugen. Sie verkündigt ...

      I. Grundartikel

      Art. 1

      Die ... Kirche trägt dafür Sorge, daß der ihr ... gegebene Auftrag im Gottesdienst, in ... Seelsorge ... wahrgenommen wird.

      Art. 2

      Die ... Kirche nimmt an der Zusammenarbeit der christlichen Kirchen in der Welt teil und sucht diese zu fördern. ... Sie gehört dem ... Ökumenischen Rat der Kirchen an.

      Art. 2a

      Die Gemeinschaft ... in der Kirche ist durch die Taufe in Jesus Christus gegeben. ...

      Art. 3

      (1) Die ... Kirche gestaltet ihre Ordnungen selbständig. Sie ist in der Erfüllung ihrer Aufgaben unabhängig und verleiht ihre Ämter kraft eigenen Rechts. ..."

      Die Kirchenkörperschaft gliedert sich nach ihrer Verfassung in Kirchengemeinden, die ebenso als KöR anerkannt sind (Art. 3 Abs. 2, Art. 7 ff. der Kirchenverfassung; vgl. vorbezeichnete Verordnung, Anlagenbd.).

    • c) In dem Ortsteil der Belegenheit des verkauften Kirchengrundstücks befanden sich ursprünglich mehrere jeweils nach ihren dort belegenen Kirchen benannte Kirchengemeinden (KöR). Vor dem Verkauf der Kirche wurden diese Kirchengemeinden zu einer nach dem Ortsteil benannten Kirchengemeinde zusammengelegt, d. h. zu der beigeladenen verkaufenden Kirchengemeinde, die nunmehr gemäß vorbezeichneter Verordnung als KöR anerkannt ist (Anlagenbd.).
  • 2. a) Nach fortgeschrittenen Verhandlungen über den Verkauf der Kirche an die Klägerin fand am 22. Juni 2003 ein Abschiedsgottesdienst der beigeladenen Kirchengemeinde in der zu verkaufenden Kirche statt. Entgegen anderslautender Presse und im Unterschied zu anderen bischöflich praktizierten Entwidmungen in verschiedenen seinerzeit profanisierten Kirchen wurde die für den Verkauf als christlich geweihte Kirche an die Klägerin und damit weiter für Gottesdienst und Seelsorge vorgesehene Kirche nicht entwidmet. Die deutsche Altarbibel und die Abendmahlsgeräte der Beigeladenen wurden hinausgetragen (Verhandlungsprotokoll S. 4 ff., 9, Finanzgerichts-Akte -FG-A- Bl. 215 ff., 220; vgl. Presseartikel, Anlagenbd.).

    b) Nach Klärung der Finanzierung kaufte die Klägerin mit notariellem Vertrag vom ... 2005 von der Beigeladenen die mit Kirche und Pastorat bebaute Grundstücksfläche gegen einen in Raten zu zahlenden und in der Höhe von der Vermessung abhängigen Kaufpreis zuzüglich anteiliger Kosten eines Trennzaunes (Vertrag mit Lageplan, Grunderwerbsteuer-Akte -GrESt-A- Bl. 1 ff.). Nach dem Ergebnis der Vermessung erklärten die Vertragsparteien mit notarieller Urkunde vom 16. März...

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