Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (BFH VIII B 126/13)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer/Einkommensteuer: Nebeneinander ausgeübte gewerbliche und freiberufliche Tätigkeit eines Krankengymnasten
Leitsatz (amtlich)
1. Eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortlich ausgeübte Tätigkeit eines Krankengymnasten liegt nur vor, wenn er - hinausgehend über Erstgespräch, gelegentliche Kontrollen und Abrechnungskontrolle - bei jedem einzelnen Patienten auf die Behandlung Einfluss nimmt und dazu jeweils selbst zumindest die Anamnese und zwischenzeitliche Kontrollen durchführt.
2. Ein Krankengymnast kann nebeneinander eine gewerbliche (als Praxisinhaber) und eine freiberufliche Tätigkeit (als selbst Behandelnder) ausüben. Die Tätigkeiten sind steuerlich getrennt zu behandeln, wenn eine Trennung z. B. nach den einzelnen behandelten Patienten ohne besondere Schwierigkeiten möglich ist oder der Umfang der Tätigkeit anhand bekannter Daten geschätzt werden kann.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2; GewStG § 2 Abs. 1; AO § 122 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Krankengymnastin mit eigener Krankengymnastik-Praxis in den Jahren 2007 bis 2009 Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit nach § 18 Einkommensteuergesetz (EStG) oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG erzielt hat und sie dementsprechend der Gewerbesteuer unterliegt.
I.
1. Die Klägerin ist gelernte Krankengymnastin; seit dem Jahr 2001 führt sie ihre eigene Praxis für Krankengymnastik. In ihrer Praxis bietet die Klägerin folgende Therapien an: ... Die Klägerin besitzt das für die Anwendung der Therapien ... und ... erforderliche Zertifikat. Alle in der Praxis angebotenen Therapien werden von der Klägerin selbst angewendet, mit Ausnahme der ... Therapie.
2. Die Klägerin beschäftigte in den Streitjahren jeweils 4 bis 5 festangestellte Mitarbeiter, die jeweils 20 bis 30 Wochenstunden tätig waren. Im Jahr 2007 kam es in der Praxis zu einer erheblichen Auftragszunahme. Diese war von der Klägerin mit ihren angestellten Mitarbeitern alleine nicht zu bewältigen, so dass die Klägerin in den Streitjahren zusätzlich jeweils 3 bis 4 Honorarkräfte beschäftigte.
Die Praxis verfügte in den Streitjahren über 4 zugelassene Behandlungsräume, wovon ein Raum ausschließlich von der Klägerin genutzt wurde.
3. Die Klägerin selbst war in den Streitjahren täglich ca. 10 Stunden pro Tag (an fünf Tagen pro Woche) tätig; jeweils am Sonnabend tätigte die Klägerin zusätzlich einen Hausbesuch.
4. Die Klägerin vergab die Behandlungstermine in den Streitjahren überwiegend selbst. Da es keine Rezeptionskraft gab, lief während der Behandlungszeiten ein Anrufbeantworter. Die Klägerin hörte den Anrufbeantworter so oft wie möglich ab und rief bei Bedarf die Anrufer zurück und vereinbarte Behandlungstermine. Es kam jedoch auch vor, dass Mitarbeiter der Klägerin Anrufe von Patienten entgegengenahmen/den Anrufbeantworter abhörten und Termine vergaben.
Bei der Terminvergabe ging die Klägerin in der Weise vor, dass sie zunächst versuchte, neue Patienten bei sich selbst unterzubringen. Falls dies nicht möglich war, teilte sie die Patienten einem anderen Therapeuten innerhalb ihrer Praxis zu.
Sofern sich die Gelegenheit ergab, sprach die Klägerin die Patienten, die sie nicht selbst behandelte, direkt auf den Therapieerfolg an. Zu Beginn jeder Therapie prüfte die Klägerin das von den Patienten vorgelegte Rezept; zum Ende der Therapie ließ sie sich von dem Therapeuten einen Therapiebericht vorlegen und prüfte, ob die erforderlichen Unterschriften des Patienten auf dem Rezept erbracht worden waren.
II.
1. Für 2007 erklärte die Klägerin in der am 06.02.2009 eingereichten Einkommensteuererklärung ihre Einkünfte als Krankengymnastin in Höhe von ... Euro als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit (Einnahmen ... Euro; Personalkosten ... Euro; Ausgaben für Honorarkräfte ... Euro).
2. Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) wies die Klägerin und ihren Ehemann mit Schreiben vom 13.05.2009 (Einkommensteuerakte -ESt-A- Bl. 47) auf seine Absicht hin, die Einkünfte der Klägerin als gewerbliche Einkünfte zu behandeln. Zur Begründung führte das FA aus, nach dem Umfang der Fremdleistungen liege keine eigenverantwortliche Tätigkeit mehr vor (Gesamtumsatz ... Euro; Aufwand für Honorarkräfte ... Euro; Personalkosten über ... Euro). Da somit weit über die Hälfte der Leistungen nicht unmittelbar von der Klägerin erbracht würde, könne nicht mehr davon gesprochen werden, dass sämtliche Leistungen den vom Bundesfinanzhof (BFH) geforderten "Stempel der Persönlichkeit" der Klägerin trügen.
Der durch die Klägerin am 08.12.2008 bevollmächtigte (Einzel-)Steuerberater (Berater) nahm mit Schreiben vom 12.06.2009 zu der beabsichtigten Einkunftsumqualifizierung Stellung (ESt-A Bl. 48). Er führte aus, unter Berücksichtigung der jeweils von den Honorarkräften, den angestellten Mitarbeitern und der Klägerin selbst erwirtschafteten Gewinne trage die Arbei...