Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung der Besteuerungsgrundlagen bei einem Taxiunternehmen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gutachten des Sachverständigenbüros Linne und Krause über die wirtschaftliche Lage des Hamburger Taxigewerbes bieten eine geeignete Schätzungsgrundlage.
2. Schätzungsunsicherheiten gehen grundsätzlich zu Lasten des Steuerpflichtigen, der seine Aufzeichnungspflichten verletzt hat. Eine Schätzung der Umsatzerlöse muss sich deshalb nicht an dem unteren Rand einer Spannbreite orientieren. Dies gilt insbesondere, wenn die unteren Werte nicht plausibel sind (abweichend FG Hamburg 3 K 13/09).
3. Allerdings kann die Schätzung hinterzogener Steuern nicht auf Wahrscheinlichkeitserwägungen, d. h. auf ein reduziertes Beweismaß gestützt werden. Nicht behebbare tatsächliche Zweifel dürfen in dem Fall nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gewürdigt werden. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes in dubio pro reo ist von der für den Täter günstigeren Tatsachenvariante auszugehen.
4. Das Auswahlermessen nach § 42d Abs. 3 EStG ist im Fall einer Steuerstraftat in der Weise vorgeprägt, dass es ermessensfehlerhaft wäre, wenn die Behörde einen Gesamtschuldner, der eine vorsätzliche Steuerhinterziehung begangen hat, von seiner abgabenrechtlichen Verpflichtung freistellte. Ein haftender Steuerstraftäter kann nicht beanspruchen, dass statt seiner die Steuerschuldner in Anspruch genommen werden, wenn er für die Auszahlung der Arbeitslöhne und die Einbehaltung der Steuerabzugsbeträge verantwortlich war.
Normenkette
AO §§ 162, 146, 147 Abs. 1, § 169 Abs. 2, § 171 Abs. 5, § 191 Abs. 1, 5; EStG § 4 Abs. 3, § 42d
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine Herabsetzung der hinzugeschätzten Umsatzerlöse und die Aufhebung des Lohnsteuerhaftungsbescheids.
Der Kläger betrieb in den Streitjahren 2002 bis zur Betriebseinstellung am ... 2006 ein Taxiunternehmen mit ... Großraumtaxen, die alle mit Funk ausgestattet und an Taxenzentralen angeschlossen waren. Die Taxen wurden im Stadtgebiet, aber auch für längere Fahrten zu anderen Orten eingesetzt. Mit einigen Kunden (sogen. Individualkunden) erfolgte die Abrechnung der Fahrten durch Rechnung.
Die angestellten Fahrer erhielten als Arbeitslohn 50 % des erzielten Umsatzes. Zu diesem Zweck rechnete der Kläger alle 14 Tage mit den Fahrern auf der Grundlage von deren handschriftlichen Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben ab. Die handschriftlichen Aufzeichnungen vernichtete er, nachdem er die Abrechnungsbeträge in der Buchführung erfasst hatte. Die Fahrer konnten das von ihnen gefahrene Taxi jeweils mit nach Hause nehmen. Soweit die Fahrzeuge im Zwei-Schicht-Betreib eingesetzt wurden, stimmten sich die Fahrer untereinander wegen der Übernahme des Fahrzeugs ab.
Im Dezember 2008 wurde gegen den Kläger ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Anlass hierfür waren handschriftliche Aufzeichnungen, die im Rahmen eines Verfahrens gegen den Angestellten des Klägers A sichergestellt worden waren. Die Steuerfahndung kam u. a. auf Grund dieser Unterlagen zu dem Ergebnis, dass die tatsächlichen Einnahmen vor deren Erfassung in der Buchführung verkürzt worden seien, so dass sowohl in den monatlichen Lohnabrechnungen als auch in der Gewinnermittlung des Klägers geringere Umsätze berücksichtigt worden seien. Auf Grund von weiteren, beim Kläger sichergestellten Unterlagen ergebe sich, dass auch bei weiteren Fahrern die Abrechnungen manipuliert worden seien. Die Kilometerstände seien bei zwei Taxen manipuliert worden. Ebenfalls könne insbesondere bei in bar geleisteten Privateinlagen die Herkunft der Gelder nicht geklärt werden.
Der Beklagte schätzte daraufhin die Besteuerungsgrundlagen, indem er die gefahrenen Kilometer an Hand eines Kraftstoffverbrauchs von 9 l auf 100 Kilometer (km) ermittelte und auf der Grundlage der Gutachten der Firma Linne und Krause zur wirtschaftlichen Lage des Hamburger Taxengewerbes von einem Nettoumsatz pro gefahrenen km im mehrjährigen Durchschnitt von 0,80 € ausging. Wegen der festgestellten Manipulation der Fahrerabrechnungen im Innenverhältnis und damit zu niedrig verbuchtem Lohnaufwand, wurden weitere Betriebsausgaben in Höhe der Differenz zwischen dem gebuchten Lohnaufwand und dem nach der Schätzung ermittelten höheren Löhnen berücksichtigt. Auf dieser Grundlage erließ der Beklagte am 09.11.2012 bzw. 13.11.2012 geänderte Steuerbescheide für 2002 bis 2005 und erstmalige Bescheide für 2006.
Des Weiteren nahm der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 17.12.2012 wegen nicht abgeführter Lohnsteuer auf die gezahlten "Schwarzlöhne" in Höhe eines Betrags von ... € in Haftung. Für die Berechnung der nicht abgeführten Lohnsteuer hatte der Beklagte den vom Kläger im jeweiligen Jahr auf die Arbeitslöhne gezahlten durchschnittlichen Steuersatz herangezogen, soweit aus seiner Sicht eine individuelle Zuordnung der "Schwarzlöhne" nicht möglich sei. Soweit die "Schwarzlöhne" in Höhe von ... € in 2003 und in Höhe von ... € in 2004 auf den Angestellten A entfielen, erfolgte die Berechnung der Steuer auf...