Entscheidungsstichwort (Thema)
Finanzgerichtsordnung/Abgabenordnung: Zurechenbarkeit des Verschuldens eines angestellten Steuerberaters bei Fristversäumnis
Leitsatz (amtlich)
1. Der bei einem Prozessbevollmächtigten angestellte, verantwortlich tätige Steuerberater, der nicht nur unselbstständige Hilfs- und Bürotätigkeit ausübt, ist einem Bevollmächtigten des Klägers im Sinne von § 85 Abs. 2 ZPO gleichgestellt.
2. Ein Beteiligter muss sich das Verschulden eines angestellten Rechtsanwalts oder Steuerberaters, der von einer Sozietät - einem Sozius vergleichbar - generell mit der selbstständigen Bearbeitung von Rechtssachen beauftragt ist, auch dann zurechnen lassen, wenn der Rechtsanwalt oder Steuerberater in einer Sache tätig wird, in welcher er selbst nicht Sachbearbeiter ist. Davon zu unterscheiden ist der Typus des nur zuarbeitenden Rechtsanwalts oder Steuerberaters.
3. Eine angestellte Steuerberaterin, der neben der eigenständigen Betreuung und Bearbeitung von Mandaten auch die Vertretung der Prozessbevollmächtigten im Fall von Urlaub, Krankheit und sonstiger Abwesenheit oblag, ist keine Hilfsperson.
Normenkette
FGO § 56; ZPO § 85 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Anlehnung eines Änderungsantrags hinsichtlich der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1994 bis 1997.
Der Kläger war zur Hälfte als Gesellschafter an der A GbR (im Folgenden GbR) beteiligt. Diese wurde im Februar 1994 durch den Kläger und B gegründet und am ... 1997 durch Ausscheiden des Klägers aufgelöst. Gegenstand des Unternehmens war die Vermittlung von Kapitalanlagen. Der Kläger betrieb daneben ein Einzelunternehmen, das ebenfalls im Bereich der Anlagenvermittlung tätig war.
Nachdem das für das Einzelunternehmen zuständige Finanzamt die Berücksichtigung von Betriebsausgaben versagt hatte, machte die GbR diese Aufwendungen als Sonderbetriebsausgaben des Klägers geltend. Zur Aufklärung des Sachverhalts und Prüfung der geltend gemachten Sonderbetriebsausgaben führte der Beklagte 2001 eine Betriebsprüfung durch, die nur teilweise zu einer Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide führte. Gegen die Gewinnfeststellungsbescheide für 1994 bis 1997, die Umsatzsteuerbescheide für 1995 bis 1997 und die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer für 1994 bis 1997 der GbR waren bei dem Beklagten Einsprüche aus den Jahren 1999 und 2001 anhängig, die im Hinblick auf zivilrechtliche Auseinandersetzungsverfahren zwischen den Gesellschaftern ruhten. Nachdem die zivilrechtlichen Streitigkeiten abgeschlossen waren, nahm der Beklagte im September 2014 die Bearbeitung der Einspruchsverfahren wieder auf und wies mit Einspruchsentscheidung vom 17.10.2014 die Einsprüche teilweise als unzulässig und teilweise als unbegründet (Einsprüche gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1994 bis 1997) zurück.
Am 20.11.2014 stellte der Kläger für sich und für die aufgelöste GbR den "Antrag auf schlichte Änderung" der "Einspruchsbescheide vom 17.10.2014 wegen der Einsprüche" gegen die Bescheide für 1994 und 1995 sowie 1996 und 1997 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen. Für die Streitjahre machte er erhebliche Sonderbetriebsausgaben für sich geltend, weil er viele Kosten für die Gesellschaft von seinem Konto bezahlt habe. Diesen Antrag wies der Beklagte mit Bescheid vom 30.03.2015 bzw. mit Bescheid vom 08.02.2016 gegenüber der GbR zurück. Die dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren von der GbR erhobene Klage ist mit Urteil vom 30.06.2017 (2 K 122/16) als unzulässig abgewiesen worden, Nichtzulassungsbeschwerde ist beim Bundesfinanzhof unter dem Aktenzeichen IV B 54/17 anhängig.
Mit Bescheid vom 08.05.2017, zugestellt am 11.05.2017, lehnte der Beklagte den Antrag vom 20.11.2014 auf Änderung der Einspruchsentscheidung über die Gewinnfeststellungsbescheide 1994 bis 1997 gegenüber dem Kläger als ehemaligen Gesellschafter der GbR ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass bei einem Antrag auf schlichte Änderung nicht der Gesamtfall einer erneuten Überprüfung unterzogen werde, sondern lediglich der Antrag selbst geprüft werde. Eine umfassende Prüfung sei lediglich mit einer Klage gegen die Einspruchsentscheidung zu erreichen. Die vom Kläger begehrten Sonderbetriebsausgaben seien bereits im Einspruchsverfahren geltend gemacht und darüber mit der Einspruchsentscheidung vom 17.10.2014 abschließend in der Weise entschieden worden, dass die Sonderbetriebsausgaben ohne Nachweise nicht anerkannt werden könnten. Mit dem Änderungsantrag würden wiederum nur Sonderbetriebsausgaben geltend gemacht, ohne dass Zahlungsnachweise oder Belege vorgelegt würden. Es werde danach nichts Neues vorgetragen, was nicht bereits Gegenstand des Einspruchsverfahrens gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1994 bis 1997 gewesen sei. Die Darstellung der Sonderbetriebsausgaben erschöpfe sich weiterhin in einer pauschalen Auflistung der Beträge. Da kein tatsächlicher oder rechtl...