Entscheidungsstichwort (Thema)

Verschuldete Versäumung der Einspruchsfrist nach Zustellung des Steuerbescheids per Postzustellungsurkunde

 

Leitsatz (redaktionell)

Verfasst der Bevollmächtigte zwar das Einspruchsschreiben rechtzeitig vor Ablauf der Einspruchsfrist, sorgt er aber nicht mehr für den rechtzeitigen Zugang des Einspruchs bei Finanzamt, kann er sich nicht darauf berufen, die Berechnung der Einspruchsfrist sei von einer ansonsten zuverlässigen Bürohilfskraft unrichtig auf der Grundlage der 3-Tagesfiktion erfolgt, obwohl der Bescheid durch Übergabe förmlich früher zugestellt worden ist. Ein solches Verschulden des Bevollmächtigten, in jedem Fall für einen rechtzeitigen Zugang des Einspruchsschreibens zu sorgen, hat sich der Steuerpflichtige zurechnen zu lassen.

 

Normenkette

AO § 122 Abs. 5; VwZG § 3; ZPO § 180; AO § 110

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob wegen Versäumnis der Einspruchsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren gewesen wäre.

Die Kläger sind Eheleute, die für das Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Einkommensteuer 2006 mit Bescheid vom 13.11.2008 auf 20.152 EUR fest. Der Bescheid wurde den Bevollmächtigten der Kläger mit Zustellungsurkunde am 14.11.2008 als Empfangsbevollmächtigte zugestellt.

Mit Schreiben vom 11.12.2008, das beim Beklagten am 16.12.2008 eingegangen ist, legten die Bevollmächtigten der Kläger Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 ein. Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2006 war als Einspruchsbegründung beigefügt.

Der Beklagte teilte den Bevollmächtigten am 18.12.2008 mit, dass der Einspruch verfristet und damit unzulässig sei. Die Einspruchsfrist sei am 15.12.2008 abgelaufen.

Daraufhin beantragten die Bevollmächtigten der Kläger mit Schreiben vom 19.12.2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und erhoben nochmals Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 13.11.2008. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages machten sie zunächst geltend, dass für die Berechnung der Fristen in Ihrer Kanzlei die zuverlässige Sachbearbeiterin X unter Aufsicht der Steuerfachangestellten L zuständig sei. Das Fristenkontrollbuch werde gelegentlich von den Berufsträgern stichprobenweise geprüft. Bisher seien die Fristberechnungen zutreffend vorgenommen worden. Im Streitfall habe Frau X allerdings die Frist falsch berechnet, weil sie trotz der Zustellung des Steuerbescheides die „3-Tage-Bekanntgabefiktion” in die Berechnung einbezogen habe. Daher sei der Bescheid erst am 16.12.2008, also einen Tag vor dem Ende der berechneten Rechtsbehelfsfrist vorgelegt und der Einspruch erhoben worden. Es handele sich somit um ein nicht schuldhaft verursachtes Büroversehen, so dass Wiedereinsetzung zu gewähren sei.

Der kopierte Auszug aus dem Fristenkontrollbuch, der dem Wiedereinsetzungsantrag der Kläger beigefügt war, weist das korrekte Bescheid- und Eingangsdatum aus. Die Zustellung mit Zustellungsurkunde war nicht vermerkt. Eine Spalte, in der Besonderheiten der Bekanntgabe vermerkt werden können, enthält das Fristenkontrollbuch nicht. Als Fristablauf ist in dem Fristenkontrollbuch der 17.12.2008 vermerkt. Unter der Spalte „Erinnerung” ist der 10.12.2008 vermerkt. In der Rubrik „Vorprüfung” wurde das Datum 15.12.2008 notiert.

Mit Schreiben vom 9.1.2009 teilte der Beklagte den Bevollmächtigten mit, dass eine Wiedereinsetzung nicht in Betracht komme. Da die zuständige Steuerberaterin innerhalb der Rechtsbehelfsfrist das Einspruchsschreiben gefertigt habe, liege kein unverschuldetes Fristversäumnis vor. Die Steuerberaterin hätte im Rahmen dieser Bearbeitung den Ablauf der Rechtsbehelfsfrist prüfen müssen.

Daraufhin räumten die Bevollmächtigten der Kläger ein, dass die für die Betreuung der Kläger zuständige Berufsträgerin, die Ende 2010 verstorbene Steuerberaterin K, das Einspruchsschreiben noch innerhalb der Rechtsbehelfsfrist, am 11.12.2008, unterzeichnet und der Büroangestellten N übergeben habe. Frau N sollte das Einspruchsschreiben nach Rückgabe der unterschriebenen Erklärung durch die Kläger am nächsten Tag zusammen mit der Steuererklärung an das Finanzamt übersenden. Da die Kläger die unterschriebenen Erklärungen jedoch nicht wie besprochen am Freitag, den 12.12.2008, sondern erst nach dem Wochenende, am Montag, den 15.12.2008, in der Kanzlei abgegeben hätten, sei das Einspruchsschreiben erst an diesem Tag zur Post gegangen. Wäre die Frist richtig berechnet und ins Fristenkontrollbuch eingetragen worden, dann wäre die Sachbearbeiterin am letzten Tag der Einspruchsfrist, also am 15.12.2008, an die ablaufende Frist erinnert worden, die dann durch Telefaxübermittlung des Einspruchsschreibens am gleichen Tag gewahrt worden wäre. Daher sei die fehlerhafte Eintragung des Fristablaufs ursächlich für die um einen Tag versäumte Frist.

Der zuständigen Berufsträgerin sei kein schuldhafter Vorwurf zu machen. Da ...

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