Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeld: Änderung der Verhältnisse bei Betreuung im Wechselmodell
Leitsatz (amtlich)
Eine Änderung der Verhältnisse, die zur Änderung einer vorherigen Kindergeldfestsetzung nach § 70 Abs. 2 EStG berechtigt, kann auch dann vorliegen, wenn durch Beginn der Betreuung im Wechselmodell die vorherige überwiegende Haushaltsaufnahme in den Haushalt eines Elternteils dadurch nicht mehr gegeben ist.
Normenkette
EStG § 64 Abs. 2, § 70 Abs. 2
Tatbestand
Der Kläger begehrt Kindergeld für seine Tochter A (geb. ... 2013) für den Zeitraum Juni 2020 bis einschließlich Dezember 2020. Für diesen Zeitraum wurde bereits zugunsten der Mutter von A, der Beigeladenen, Kindergeld für A festgesetzt und ausgezahlt.
Der Kläger und die Beigeladene leben seit längerer Zeit getrennt und sind seit dem ... 2019 geschieden. A war bis Mai 2020 überwiegend in den Haushalt des Klägers aufgenommen. Seit Juni 2020 bis jedenfalls Dezember 2020 lebte sie zu gleichen Anteilen beim Kläger und bei der Beigeladenen im sog. Wechselmodell.
Der Kläger beantragte am 18. September 2013 Kindergeld für A. Die Beigeladene stimmte der Auszahlung an den Kläger im Antrag vom 18. September 2013 zu. Die Beklagte zahlte im Anschluss das Kindergeld an den Kläger aus. Ob zudem ein Festsetzungsbescheid erging, lässt sich der Aktenlage nicht mit Sicherheit entnehmen.
Mit Bescheid vom 5. Dezember 2019 hob die Beklagte gegenüber dem Kläger die "erfolgte Festsetzung" ab Dezember 2019 auf, nachdem die Beigeladene im November 2019 die Zahlung des Kindergeldes an sich beantragt hatte. Die Beklagte war zunächst der Ansicht, nach§ 64 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) könne A nicht beim Kläger berücksichtigt werden, da sie nicht in seinen Haushalt aufgenommen sei. Nach Einspruch des Klägers gegen diesen Aufhebungsbescheid und Hinzuziehung der Beigeladenen erließ die Beklagte am 12. Juni 2020 eine Einspruchsentscheidung, wonach Kindergeld ab Dezember 2019 zugunsten des Klägers festgesetzt wurde, da sich A überwiegend in seinem Haushalt aufgehalten habe.
Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2020 teilte die Beigeladene der Beklagten mit, A habe seit Juni 2020 ihren Lebensmittelpunkt wieder bei ihr, der Beigeladenen. Daraufhin hob die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Bescheid vom 17. Juli 2020 die vorherige Kindergeldfestsetzung ab Juni 2020 für den Kläger auf, da A in den Haushalt der Beigeladenen aufgenommen worden sei. Hiergegen legte der Kläger am 27. Juli 2020 Einspruch ein. A habe bei ihm ein eigenes Zimmer, die Angaben der Beigeladenen seien falsch. Im Verfahren legte er weitere Unterlagen, insbesondere zu Aufenthaltszeiten von A, vor. Die Beigeladene wurde zum Verfahren hinzugezogen. Die Beklagte setzte Kindergeld zugunsten der Beigeladenen fest.
Am 1. Dezember 2020 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Einspruchsentscheidung und wies den Einspruch als unbegründet zurück. A habe sich im Streitzeitraum in etwa zu gleichen Teilen bei beiden Elternteilen aufgehalten. Daher sei entweder eine einvernehmliche Berechtigtenbestimmung oder eine solche des Familiengerichtes erforderlich. Daran fehle es.
Am 4. Januar 2021 hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Auffassung, die Festsetzung des Kindergeldes zu seinen Gunsten hätte nicht aufgehoben werden dürfen. Die Verhältnisse hätten sich nicht geändert, insbesondere liege eine solche Veränderung nicht darin, dass A nunmehr nicht mehr überwiegend von ihm, dem Kläger, sondern nunmehr von beiden Elternteilen paritätisch betreut werde. Denn hierdurch sei nicht zugleich für die Beigeladene ein Anspruch auf Festsetzung des Kindergeldes zu ihren Gunsten entstanden, weil es an einer Berechtigtenbestimmung zugunsten der Beigeladenen fehle. Dieser einheitliche Lebenssachverhalt dürfe nicht künstlich aufgespalten werden. Es sei zudem fraglich, weshalb die Beklagte diese Voraussetzung bei der Beigeladenen nicht geprüft habe und zu deren Gunsten Kindergeld festgesetzt habe.
Der Kläger beantragt,
den Aufhebungsbescheid vom 17. Juli 2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Dezember 2020 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, angesichts der paritätischen Betreuung von A durch den Kläger und die Beigeladene und einer fehlenden Berechtigungsbestimmung (durch die Beteiligten oder das Familiengericht) sei die Klage unbegründet.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Mit Beschluss vom 13. April 2021 ist die Beigeladene zum Verfahren nach § 174 Abs. 5 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) i.V.m.§ 60 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beigeladen worden. Mit Beschluss vom 24. März 2022 ist der Rechtsstreit auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen worden. Auf die Protokolle des Erörterungstermins am 8. September 2021 und der mündlichen Verhandlung am 21. April 2022 wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht gemäß § 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch die Einzelrichterin.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
I.
Gegenstand der zulässigen Anfechtun...